1882 erschien in 1.Auflage im Hahnverlag das Buch „Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren“ Autor war Bernhard H. von Holleuffer (*1827- † 1888)[1].
Er gilt bei vielen als derjenige, der die Begriffe „RÜCKENGÄNGER“ und „SCHENKELGÄNGER“ erstmalig erwähnte. An anderer Stelle werden die Gebrüder Günther (1859) sowie d´Elpons (1877) genannt.
In seinem Buch schrieb von Holleuffer:
„Man unterscheidet deshalb Rückengänger und Schenkelgänger. Die letzteren verrichten die Bewegungen ohne Mitgebrauch der Wirbelsäule, die Bewegungen sind hart oder gespannt, nicht raumgreifend, entweder übereilt oder träge, sie richten ihre Beine und die Reiter zugrunde, sie stehen entweder hinter dem Zügel oder liegen tot auf demselben und sind nicht zuverlässig im Gehorsam“[2].
Die Rückengänger bedienen sich dagegen bei allen Bewegungen der Schwingungen nach vorn und nach unten: je kräftiger und spielender diese sind, je aktiver und raumgreifender, je weicher und elastischer, frischer und entschlossener sind die Bewegungen, die Pferd und Reiter gesund erhalten und das Erstere dem Letzteren in vollkommenem Gehorsam in die Hand spielen.“[3]
Allerdings irrte sich von Holleuffer in seinem Glauben, dass diese Schwingungen in einem sich bei jeder Bewegungsfolge wiederholenden Auf- und Abwölben der Wirbelsäule bestehen.
Dies aufzuklären blieb Gustav Steinbrecht in seinem 1885 erschienenen und von Paul Plinzner aus Steinbrechts Notizen verfassten Werkes „Das Gymnasium des Pferdes“, sowie dem Schweizer Pferdearzt Hermann Schwyter mit seiner 1907 erschienenen Arbeit „Über das Gleichgewicht des Pferdes“ vorbehalten. Sie führten Holleuffers Theorie „auf ihr richtiges Maß – den HERGEGEBENEN RÜCKEN – zurück“. Aber auch diese Herren brachten nur altes Wissen zu neuen Geltung. Der HERGEGEBENE RÜCKEN und das genaue Verständnis darüber was man darunter zu verstehen hatte, existierten, als feststehende Begrifflichkeit, schon lange vor ihnen, war aber durch Ignoranz der Vergessenheit anheimgestellt worden.
Dieser HERGEGEBENE RÜCKEN war schon bei E.F. Seidler elementar. Dieser widmete in seinem Werk „Die systematische Bearbeitung des Campagne- und Gebrauchs-Pferdes“ (1837) dem „hergegebenen Rücken“ viel Raum[4]. Auch wies er, ohne den Begriff „Schenkelgänger zu gebrauchen, auf die Gefahr eines „KRAMPFHAFT ANGESPANNTEM RÜCKEN“[5] hin:
„Den Stichtrab muß man bei jungen Pferden in erster Zeit unterdrücken, weil sie diesen nur mit krampfhaft angespanntem Rücken hervorbringen.“ [6]
Was nun aber ist dieser „hergegebene Rücken“ eigentlich?
Ganz schlicht und einfach gesagt: ER IST NICHT KRAMPFHAFT ANGESPANNT – nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Was er aber NICHT ist, er ist KEIN AUF- UND ABSCHWINGENDER Rücken, welchem die Rückenfanatiker – die Biomechanik des Pferdes völlig ignorierend – huldigen.
Diese fragwürdige Aussage des Herrn von Holleuffer hat sich leider tief in die Köpfe einiger neuzeitlicher anglomaner Reitergenerationen gefräst und führt zu völlig unsinnigen Trainingsmethoden – wie beispielsweise VORWÄRTS-ABWÄRTS, aber auch ROLLKUR!
Und es führt dazu, dass wirklich gut ausgebildete und gut gehende Pferde mit Kritik überhäuft und diffamiert werden und damit besteht die große Gefahr, dass die GUTEN BILDER mehr und mehr aus unseren Köpfen verschwinden werden.
REITEN UND REITKUNST ADE!
[1] Bernhard Hugo von Holleufer war ein Königlich Preußischer Stallmeister am Militärreitinstitut Hannover
[2] Bernhard Hugo von Holleufer (oder auch Bernhard Hugo von Holleuffer) | „Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren“ | 1882 | Hahn ’sehe Buchhandlung – Hannover | Seite 37
[3] Bernhard Hugo von Holleufer (oder auch Bernhard Hugo von Holleuffer) | „Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren“ | 1882 | Hahn ’sehe Buchhandlung – Hannover | Seite 37
[4] Ernst Friedrich Seidler | „Die systematische Bearbeitung des Campagne- und Gebrauchs-Pferde“ | Ernst Siegfried Mittler Verlag | 1837 | Seiten: 6, 10, 32, 39, 40, und viele Seiten mehr
[5] Ernst Friedrich Seidler | „Die Dressur diffiziler Pferde“ | 2. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1846 | Olms-Verlag 1990 | Seite 137f
[6] Ernst Friedrich Seidler | „Leitfaden zur systematischen Bearbeitung des Campagnen- und Gebrauchspferdes“ | Eigenverlag – Gedruckt in der Dietericischen Buchdruckerei (E.G. Mittler) – Berlin | 1837 | Seite 41
Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippologie