Die Kandare – nur ein paar Worte dazu

Ist die Kandare wirklich DAS Instrument, welches die Hilfengebung verfeinert, wie man allendhalben zu hören oder lesen bekommt?

Otto Digeon von Monteton, mein Seelenverwandter, hat über die Kandare ganz pragmatisch gesagt, sie sei
DIE EINZIG MÖGLICHE KRIEGSZÄUMUNG[1].

Und genau das ist sie auch: eine Kriegszäumung!

Ansonsten war Otto, wie ich auch, der Meinung, dass „die gewöhnliche Wasser- oder Doppel-Trense das einzig brauchbare Ausbildungswerkzeug ist[2] und die Kandarenreife dann erreicht ist, wenn alle Lektionen der Hohen Schule einhändig auf Trense geritten werden können.

Die Befürworter der Kandare scheinen dagegen der Meinung zu sein, dass man mit der Trense diesen hohen Grad von Feinheit, den sie erwarten, nicht erreichen könne, da die Trense beispielsweise beim Aspekt der BEIZÄUMUNG weniger wirksam sei. Eine solche Aussage ist FALSCH und drückt in gewissem Sinne sogar Unkenntnis bezüglich der wahren Möglichkeiten der Trense aus!

Ein auf Trense beigezäumtes Pferd muss sich darauf eingelassen haben die Nase entsprechend der Aufrichtung immer näher an die Senkrechte heranzunehmen. Dies bedarf Geduld und es ist stallmeisterliche Kunst einen Pferdehals und dessen Halswirbelsäule mit Hilfe der Trense zu FORMEN.

Bei der Kandare ist diese Willensäußerung des Pferdes nicht notwendig, die Beizäumung geht schneller, aber die Qualität der Halsausformung erreicht nicht das mit Trense erreichbare Niveau. Im Gegenteil, durch die Genickwirkung der Kandare  produziert man einen zweiten „falschen Knick“. Dieser kann das Pferd in manchen Situationen auf die Vorhand bringen, einen Effekt, den man bei vielen „klassisch“ gerittenen Pferden erkennen kann.  

Mit TRENSE bedarf es KÖNNEN – mit KANDARE kann man MANIPULIEREN!
Während auf Trense Ausbildungsfehler sofort sichtbar werden, kann man diese mit der Kandare leichter überspielen.

Oft hört man, insbesondere dann, wenn die Kandare als feines Mittel präsentiert werden soll, folgenden Satz:

 „Die Trense bäumt, die Kandare zäumt!

Dabei wird einem gar nicht so bewusst, dass dieser Spruch – und hier wage ich eine gar nicht so abwegige Hypothese – wohl in einer Zeit seine Entwicklung nahm, in der Teile der Reiterschaft alles andere als fein und pferdefreundlich ritten.

Getreu nach dem Motto „Alles was lebt ist faul!“ (Rittmeister von W.) versuchte man die Aufrichtung und Beizäumung der Hohen Schule zu imitieren, dabei aber maßgebliche Entwicklungsschritte auslassend, eine gewaltige und für die Pferde sehr unfreundliche Abkürzung zu nehmen.

Nicht, wie bei der wahren HOHEN SCHULE, wo man erst zum Ende der Ausbildung die maximale AUFRICHTUNG und Beizäumung  zu erzielen trachtete, begannen diese „Reitersleut“ schon zu Beginn der Ausbildung die Pferde – auf Trense – hoch aufzurichten (DIE TRENSE BÄUMT) und dabei das Pferd stark auf die unvorbereiteten Hanken zu setzen.

Dabei war es ihnen auch egal, dass der Kopf des Pferdes in eine nahezu waagerechte Stellung gebracht, die Hinterhand ausgestellt und die Kruppe hochkam, was den Eindruck eines weggedrückten Rückens entstehen ließ.

Diese, zunächst im Stehen erarbeitete Aufrichtung sollte auch in der Bewegung erhalten bleiben.

Erst nach einer Weile begann man, nun mit Kandare (DIE KANDARE ZÄUMT), den Pferdekopf heranzuarbeiten. Die Pferde ließen sich das natürlich nicht gefallen und versuchten, wenn sie die Möglichkeit hatten, vom Zügel loszukommen.

So geschah es auch bei jenem Quedlinburger 7. Kürassier-Regiment[3], welches den Auftrag bekam in der Zeit von 1842 – 1843 die Methode Bauchers auszuprobieren. Dieser Versuch ging voll in die Hose. Beim großen Kavalleriemanöver vor Berlin im Herbst 1843 unter Generalleutnant von Wrangel, hoben sich die so ausgebildeten Pferde, „keinem Zügel mehr gehorchend“ (frei nach Schiller), reihenweise aus der Zäumung. Natürlich sehr ungünstig für ein Kavalleriepferd. Anzumerken sei allerdings, dass Baucher zu dieser Zeit noch ausschließlich die Pferde auf Kandare ausbildete und ausbilden ließ.

Die „unbedingte BeizäumungBauchers, wurde daraufhin ein für alle Mal bei den Preußen verboten. Die Ablehnung der Methode Bauchers hatte also, nicht wie einige Autoren dies darstellten, nationalistische, sondern rein pragmatische und sicherheitstechnische  Gründe.

Das Ganze war natürlich alles andere als gesund für die Pferde, vielleicht ein Grund über den Satz: „Die Trense bäumt, die Kandare zäumt!“ nochmal nachzudenken.

Zum vorläufigen Abschluss noch ein Zitat von Otto Digeon von Monteton:

Ein gerittenes Pferd geht auf jeden alten Bindfaden statt des Mundstücks …[4] (geritten bedeutet hier rittig/voll ausgebildet)


Autor: Richard Vizethum | Der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


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[1] Otto Digeon von Monteton – Über die Reitkunst Seite 12

[2] Otto Digeon von Monteton – Über die Reitkunst Seite 177

[3] Allerdings dürfte nicht das komplette Regiment, wie ich zunächst aus den Veröffentlichungen annahm an diesem Versuch teilgenommen haben, sondern lediglich die 3. in Quedlinburg garnisonierte Eskadron dieses Regiments.

[4] Otto Digeon von Monteton – „Über die Reitkunst“ Seite 177

Wassertrense – Bewährtes ändert sich nicht

Wassertrense – Bewährtes ändert sich nicht

Im Februar 1931 fand man in einem Reitergrab (bei Bánkút – Nordungarn) jene Form einer Trense, welche den heutigen einfachen Wassertrensen, insbesondere im Westernreitbereich bis ins Detail gleicht.

Sie entstammte der, in der ungarischen Literatur als Landnahmezeit bezeichnete kriegerische Periode, in denen die Magyaren (noch nicht sesshaften Ungarn) Krieg mit ihren Nachbarn führten. Die Serie kriegerischer Auseinandersetzungen begann etwa 899 n.Chr. und endete mit der vernichtenden Niederlage der Magyaren auf dem Lechfeld 955 n.Chr.

Autor: Richard Vizethum | Stallmeister | Schule der Hippologie