Wir (be)nutzen Pferde

Vor einiger Zeit hörte ich von einem neuzeitlichen Ausbilder „klassischer Reiterei“ die Aussage, dass der „VERSTAND der Teufel sei“. Damit aber hat er im Grunde die MENSCHLICHE GEDANKENLOSIGKEIT exkulpiert, quasi von der Sünde frei gesprochen.

Reiten jedoch und das brachte Max Ritter von Weyrother zum Ausdruck, erfordert den DENKENDEN REITER und dies aus gutem Grunde. REITEN ist eine WISSENSCHAFT. Das dies so sein muss, liegt in der Natur des Pferdes und dem menschlichen Wunsch dieses Lebewesen zu NUTZEN, begründet.

Nun wird man sich vielleicht wieder an dem Wort NUTZEN stören, doch was ist es denn anderes. Wir NUTZEN Pferde für unsere Zwecke. Zwecke, welche vielfältig sein können.

Allgemein bekannte Formen der Nutzung sind REITEN und FAHREN (auch etwas ziehen). Man könnte dies auch als die KÖRPERLICHEN Nutzungen des Pferdes bezeichnen. Da Pferde groß und stark erscheinen, sind wir meist der irrigen Meinung, man könnte sie, ohne diese auf das REITEN physisch und psychisch wirklich vorzubereiten, einfach nur BENUTZEN. Das wir damit ihre körperliche und seelische Gesundheit opfern ignorieren wir nur zu gerne.

Wir BENUTZEN Pferde als Projektionsfläche für unsere Gefühle und Emotionen. Dabei nehmen wir nicht die geringsten Rücksichten auf deren Befindlichkeiten. Ohne Skrupel belästigen wir diese Lebewesen mit unserer oft verkorksten Gefühlswelt. Wir beachten nicht, dass Pferde ebenfalls Emotionen erfahren.

Sie sind keine AUSGEBILDETEN COACHES, sondern selbst oft Wesen, die der Hilfe bedürfen um in dieser menschlichen Welt zurecht zu kommen.

Wir BENUTZEN sie in der Therapie und gehen wie selbstverständlich davon aus, dass dies bei den Pferden keine seelischen Spuren hinterlässt. Solche Therapien – welche auch immer –  sind keine Win-Win-Situation. Der Mensch gewinnt, dass Pferd verliert immer!

Wir BENUTZEN sie, um unsere Profilneurosen zu befriedigen. „Höher, Schneller, Weiter“ ist einer der gängigen Ausdrücke davon. Freiheitsdressur, Pferde-Agility und viele andere ähnliche Formen der NUTZUNG helfen nicht dem Pferd, nur dem Menschen, um sich – über das Pferd, welches man oft dabei maximaler KONTROLLE unterwirft, selbst aufzuwerten.

Das alles tun wir aus unserem subjektiven und zu menschlich interpretierten FÜHLEN heraus. Aus dem unreflektierten GEFÜHL, dass das, was wir da verlangen auch im Sinne des Pferdes wäre.

Nun ist es aber so, dass die Pferde in unserer hoch urbanisierten Welt kaum Überlebensmöglichkeiten hätten. Auch leben sie schon Jahrtausende in einer engen Co-Existenz mit uns Menschen und haben sich, wie Hunde und andere Tiere auch, weit von ihrem natürlichen Ursprung (auch im Verhalten) entfernt.

Würden wir sie nun nicht mehr NUTZEN, ginge ihre Population drastisch zurück.

Im Grunde stellt sich nicht die Frage nach der NUTZUNG an sich, sondern WIE wir sie NUTZEN. Und hier gibt es nur EIN EINZIGES ZIEL:

Bei allen was wir mit ihnen tun, dürfen die Pferde KEINEN SCHADEN AN KÖRPER UND GEIST nehmen!

Wir müssen sie auf ALLES was wir von ihnen verlangen so vorbereiten, dass wir diesem Ziel gerecht werden können.

Dazu aber benötigt man EMPATHIE, also (ÜBER)SINNLICHE WAHRNEHMUNG – umgangssprachlich mag man auch von GEFÜHL sprechen – um sich in diese Lebewesen hineinzuversetzen und RICHTIG, OHNE VERMENSCHLICHUNG, beurteilen zu können, was die Pferde, bei dem was wir gerade mit ihnen tun empfinden und in welchem physischen und psychischen Zustand sie dabei sind.

Doch schon die Zustands-Beurteilung ist ohne WISSENSCHAFT absolut nichts wert, und bleibt der Willkür und dem eigenen, meist eingeschränkten Weltbild überlassen. Vor allem aber ist das richtige HANDELN von WISSEN abhängig, welches weit über das ERFAHRUNGSWISSEN hinausgeht. Denn auch ERFAHRUNG braucht eine Einordnung und muss REPRODUZIERBAR SEIN.

Deshalb ist das Vorbereiten des Pferdes und das Arbeiten mit diesem auch eine WISSENSCHAFT und keine romantische GEFÜHLSDUSSELEI. Der VERSTAND ist dabei zwingend notwendig und kein Teufel! Wer glaubt FÜHLEN reicht, der irrt gewaltig. Denn zum FÜHLEN muss man wissen, was man genau fühlen soll!


Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippologie | der letzte Stallmeister


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