Eine Wendung offenbart es

In der Herresdruckvorschrift 12 (HDv.12.) von 1937 finden sich auf Seite 30 zwei sehr aufschlussreiche Bilder, welche weniger Aussage über den reiterlichen SITZ, dafür aber umso mehr über die Anforderungen und die Qualität der Kavallerie zu Zeiten der Wehrmacht[1] aussagen.

Bei beiden Bildern geht es um den Sitz beim Durchreiten einer WENDUNG. Das linke Bild zeigt einen Reiter mit eingeknickter Hüfte, dessen Sitz man damit zu Recht als fehlerhaft bezeichnen muss.

Beim rechten Bild nun sitzt der Reiter in einer Linie mit dem Pferd. Laut HDv. 12 von 1937 wird von einen „richtigen Sitz“ gesprochen. Beschränkt man seine Beurteilung auf die Unterschiedlichkeiten zwischen diesen beiden Bildern und bezogen auf den Sitz, so muss man geneigt sein, der Bewertung gemäß Dienstvorschrift zu folgen.

Löst man sich vom aber SITZ des Reiters und bewertet die AKTION, sprich das Durchreiten einer WENDUNG, dann muss man beiden Bildern attestieren, das beide FALSCH sind! Und damit sind wir bei den Anforderungen und der Ausbildungs-Qualität der Kavallerie zur damaligen Zeit.

Die Wehrmachtsreiter waren keine KAVALLERISTEN und ihre Pferde keine ausgebildeten KAVALLERIE-PFERDE mehr!

Im Feldzug von 1870/71 gegen Frankreich, fand am 16. August 1870 die Schlacht von Vionville – Mars la Tour[2] statt. Deren Bedeutung liegt unter anderem darin, dass es die letzte große Schlacht war, in der die Kavallerie neben der Artillerie und der Infanterie gleichberechtigten Anteil am Ausgang der Schlacht hatte. Danach begann der Abstieg hin zur militärischen Bedeutungslosigkeit, trotz mancher Bemühungen diesen zu verhindern.

Spätestens nach dem 1. Weltkrieg, in dem ca. 8 Millionen Pferde (!), Reit- und Zugpferde, ums Leben gekommen waren und der, flapsig ausgedrückt, „mit Pferden begann und mit Panzern endete“, sollte auch dem letzten Kavallerieromantiker klar geworden sein, dass eine moderne Armee keinen Bedarf für eine Kavallerie mehr hat.

Das Einzige, was für diese einst stolze Kavallerie an Einsatz-Szenarien noch Sinnhaftes[3] blieb, waren Aufklärungs- und Sabotageritte, welche bereits 1870/71 schon verstärkter durchgeführt wurden.

Gleichzeitig mit dem Abstieg der Kavallerie in die militärische Bedeutungslosigkeit kam es zu einer Renaissance einer Reiterei, welche bereits bei den Reitervölkern und zwar ausschließlich praktiziert wurde: Der NATÜRLICHEN METHODE! 

Diese Wortschöpfung als Bezeichnung für eine Ausbildungsart, die von Italien[4] ihren Ausgang nahm, ist sehr treffend. Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, daß es unter Leuten vom Fach über die Auslegung Meinungsverschiedenheiten geben kann. Caprilli und seine Schüler haben seine Gedanken und Grundsätze im Springsport und im Gelände angewandt und ein Ausbildungssystem geschaffen, welche die italienischen Reiter jener Zeit in schnellem Aufstieg an die Spitze des Sports führte. Alle Welt horchte auf und ahmte nach.[5]

Das Credo dieser, nahezu auf Gymnastizierung und Durchbildung der Pferde verzichtende Ausbildungsform, lautete: „Das Gelände wird es schon richten!“.

Auch die deutsche Wehrmachtsreiterei schloß sich dieser pferdeverschleißenden Mode an, gleichwohl sie gegenüber den anderen nachahmenden Nationen, zumindest noch ein bisschen Gymnastizierung und dressurmäßige Arbeit einbaute, wobei der Freiherr von Waldenfels[6] sich wohl ausgezeichnet hat (lt. Udo Bürger).

Den geneigten Leser mag spätestens jetzt ein Licht aufgegangen sein, wohin die Reise der „Kavallerie“ ging: zur SPORTREITEREI!

Und diese Aussage bringt mich nun wieder zurück zu diesen beiden Bildern

Pferde, welche so durch eine Wendung gehen, liegen mit einem hohen Gewichtsanteil auf ihrer inneren Schulter, was nicht nur zu einer erheblichen, gesundheitsunverträglichen Ungleichbelastung der Struktur, sondern auch zu einer starken Reduzierung der Beweglichkeit führt.

Wäre ein solches Pferd, wie dies zu früheren Zeiten bei der Kavallerie gang und gäbe war, im Einzelkampf aktiv und würde so in die Wendung fallen, bedürfte es für einen Richtungswechsel mehrerer Zwischenschritte und einen erheblichen Energieverbrauch, unabhängig von der Gefährdung der sich Ross und Reiter durch den Gegner aussetzen würden!

Die beiden Bilder nun zeigen ein rein (ungesund) sportlich gerittenes Pferd, bei dem der GALOPP und die Geschwindigkeit im Vordergrund stehen, und dies ohne Rücksicht auf Verluste! Der Verschleiß, den eine solche Reiterei den Pferden bescherte kann man an den hohen Ausfallzahlen der damaligen Zeit ablesen.

Auch bei einem sportlich gerittenen Pferd sollten stets beide Schultern erhoben sein und das Pferd wie eine alte Straßenbahn und nicht wie ein Zug mit Neigetechnik oder ein Motorrad durch die Wendung gehen. Die erhobenen Schultern halten nicht nur das Pferd langfristig gesund, sondern es kann in seinen Aktionen auch bedeutend beweglicher und schneller agieren!

Die angesprochene Wehrmachtsreiterei steht bedauerlicherweise als VORBILD für die moderne Reiterei und leistete auch maßgebliche Beiträge zur SKALA DER AUSBILDUNG. Einer „Lehre“ deren angesprochene Grundlage von Seiten ihren Verfechter – in maßloser Überschätzung – als KLASSISCH bezeichnet und deren UNUMSTÖSSLICHKEIT (d.h. Zeitlosigkeit) attestiert wird.

Als VORBILD aber sollte man sich immer das BESTE und nicht das Mittelmäßige oder gar Schlechte erwählen.

Die Wehrmachts-Reiterei war keine KAVALLERIE mehr. Sie kann so wenig als Vorbild für die beste Militärreiterei, wie für eine GESUNDE SPORTREITEREI (die wir auch deshalb heute nicht haben) genutzt werden!


Autor: Richard Vizethum | Der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


[1] Mit dem Gesetz zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht vom 16. März 1935 wurde die Reichswehr in Wehrmacht unbenannt.

[2] Die Schlacht bei Mars-la-Tour (in den Quellen auch Schlacht bei Vionville oder Schlacht bei Rezonville) wurde am 16. August 1870 während des Deutsch-Französischen Krieges in der Nähe der Ortschaften Mars-la-Tour und Vionville im Nordosten Frankreichs, etwa 20 Kilometer westlich von Metz geschlagen. (Wikipedia)

[3] Versuche, wie es die Polen zu Beginn des 2. Weltkriegs taten, wo sie mit Pferden, in Formationen irregulärer Kavallerie, gegen deutsche Panzer ritten, darf man als Ausdruck sturer Kavallerieromantiker bezeichnen, die aus dem 1. Weltkrieg keine Lehren gezogen haben und deren UNSINNIGEN Befehle Pferden und Reitern das Leben kostete.

[4] Über die italienische Reiterei, welche nach der Neapolitanischen Schule vermehrt der Bedeutungslosigkeit anheimfiel möchte ich sonst weiter keine Worte verlieren, denn diese wären alles andere als freundlich.

[5] Dr. Udo Bürger | „Vollendete Reitkunst“ | Verlag Paul Parey | 5.Auflage 1982 (Erstauflage1959) | Seite 80

[6] Rudolf Otto Hans Freiherr von Waldenfels (* 23. September 1895 in Ingolstadt; † 14. August 1969 in Rottach-Egern) war ein deutscher Springreiter sowie Offizier, zuletzt Generalleutnant im Zweiten Weltkrieg. (https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_von_Waldenfels_(General)


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Gewichtig „helfen“

oder der Mythos: Reiten über Gewichtshilfen

Aus der LEHRE VOM GRALSWEG – Bd. 2 „Reiter und Pferd“ (Autor: Richard Vizethum)

Grundsätzlich sollte man sich von der Vorstellung verabschieden, dass  über das GEWICHT geritten werden würde. Ein solcher Gedanke führt unbewusst, sehr häufig aber auch ganz bewusst, zu mitunter deutlichen Gewichtsverlagerungen durch den Reiter. Die Struktur des Pferdes wird dadurch ungleich belastet. Dies wiederum zwingt das Pferd zu Ausgleichsbewegungen, welche oft nicht zu dem, vom Reiter gewünschten Ergebnis führen.

Meist gleichen die Pferde Gewichtsverlagerungen dadurch aus, dass sie, wenn der Druck auf das belastete Bein zu groß wird, auf das geringer belastete Bein umlasten und damit vom Gewicht weggehen.

Hat man das eigene Gewicht in einer Ecke beispielsweise etwas nach Innen gebracht, um das Pferd zum Abwenden zu bringen, sagen wir mal nach rechts, dann lastet das Pferd nach links um und geht damit über die äußere Schulter. Der Reiter meint, das Pferd drängt willentlich nach Außen und  reagiert meist mit verstärktem Einsatz des inneren Zügels[1]. Damit bringt er, vor allem wenn er mit dem Zügelanzug den Hals des Pferdes über die UNTERSTÜTZUNGSFLÄCHE[2] hinaus, seitlich verbiegt (was stets vermieden werden sollte), vermehrter Gewicht auf die innere Schulter des Pferdes und verstärkt damit das „über die äußere Schulter gehen“ weiter.

Geschieht allerdings die Gewichtsverlagerung abrupt, weil beispielsweise der Reiter ruckartig sein Gewicht vermehrter nach innen geworfen und/oder das Pferd bei höherer Gangart zu tief in die Ecke „gejagt“ hat und dieses dazu genötigt wird, extremer über die innere Schulter zu fallen, was dem Pferd ein Umlasten auf das geringer belastete Bein nicht (mehr) möglich macht, dann „fällt“ das Pferd auf diese Schulter und kippt nach Innen – folgt also dem Gewicht. Gleiches passiert auch, wenn das Pferd mit stärkerer Außenstellung durch die Ecke geht bzw. gehen muss[3].

Auch in solchen Situationen reagiert der Reiter in der Regel reflexartig falsch, indem er versucht durch Anheben der inneren Reiterhand, die Schulter des Pferdes wieder zum Aufrichten zu bringen. Dies behindert nur das Pferd in dessen Abfangbemühungen.

GEWICHTSVERLAGERUNGEN ZWINGEN DAS PFERD IMMER ZU NOTREAKTIONEN

Durch Verlagerungen des Gewichtes zwingt man das Pferd IMMER zu  „Notreaktionen“ und versetzt es in STRESS[4]. Dies wäre nicht nötig, wenn  man sich von der fixen Idee „des Reitern übers Gewicht“ gänzlich verabschieden würde.

Stattdessen sollte man stets darauf bedacht sein, dass beide SITZBEINHÖCKER gleichgewichtig belastet werden und dass die Körperdrehung (Drehachse INNERER SITZBEINHÖCKER), und nicht das Gewicht, die Richtungsänderungen bedingen. Natürlich führt auch diese Körperdrehung zu leichten Veränderungen der Gewichtssituation, aber ohne, dass dadurch eine signifikante Instabilität verursacht wird. Im Gegenteil: Die Schultern des Pferdes bleiben, wie auch die des Reiters, beide oben und das Pferd geht sicher durch die Wendung oder auch durch einen Galopp-Wechsel, dieser sei hier am Rande erwähnt, denn was man da an gewichtsverlagernden Aktivitäten oft zu sehen bekommt ist genauso gruselig, wie völlig falsch!


Autor: Richard Vizethum | Der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


[1] Dies geschieht häufig als unbewusster Reflex, da der eigene Körper versucht, mit dem naheliegendsten Mittel, einen durch diese Situation ausgelösten Balance- und Sicherheitsverlust zu korrigieren.

[2] Hier der Teil, der durch die gedankliche Verlängerung der Schultern des Pferdes nach vorne definiert wird.

[3] Dies kann gewollt sein, wie beispielsweise beim KONTERSCHULTERHEREIN (welche als Übung in der LEHRE VOM GRALSWEG nicht geritten wird, weil völlig unnötig und für das Pferd Stressbelastet) oder aber durch Sitzfehler des Reiters (häufigste Ursache) begünstigt werden. So dreht sich ein menschlicher RECHTSHÄNDER vermehrt nach Links (beim LINKSHÄNDER ist dies umgekehrt) und nimmt das Pferd (wenn dieses auch Rechtshänder ist, dann noch vermehrter) in diese STELLUNG mit. Auch das häufig gelehrte, aber völlig falsche Vorschieben der inneren Schulter des Reiters (häufig im Westernreiten zu sehen) und damit auch der inneren Hüfte, hat eine solche Außenstellung des Pferdes zur Folge.

[4] STRESS bedeutet immer zusätzlicher, unnötiger Energieverbrauch und damit zeitlich gesehen, schnelleren Leistungsverlust. Darüber hinaus, je nach dem wie stark der Reiter durch Fehlverhalten zu dieser Situation beigetragen hat, beeinträchtigt dieser STRESS auch das Vertrauensverhältnis zwischen Pferd und Reiter.


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Sitzen lernt man nicht alleine

Von der Haltung des ganzen Körpers zu Pferde, hängt sehr die Sicherheit des Reiters selbst, und die Sicherheit seiner Führung und seiner Hilfen, ab, daher muß auf den Sitz des Reiters bei allen Bewegungen des Pferdes, die größte Sorgfalt gewendet werden.

Schreiner, Franz Xaver Joseph | „Die Reitkunst theoretisch-praktisch dargestellt“ | Verlag Joseph Lindauer – München | 1821 | Seite 204

Kein noch so großes Talent kann den korrekten Sitz intuitiv und ohne fremde Hilfe erlernen!

Ich werde in diesem Beitrag nicht darüber reden, wie ein korrekter und kommunikativer REITERLICHER SITZ im Detail aussieht, und wie er zur Anwendung kommt. Das mache ich gerne und sehr ausführlich in meinen Reitstunden und Praxiskursen, wo ich den Sitz nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG vermittle. Einen Sitz, der sowohl in seiner Haltung, seiner Kommunikationsfähigkeit als auch seiner Sicherheit unübertroffen ist. Dessen maßgebliche Grundlagen existierten bereits lang vor mir (Wissen preußischer Stallmeister [1]). Mein Verdienst war es dabei lediglich gewesen, einzelne Unstimmigkeiten zu beseitigen, sowie den Sitz in seiner Kommunikation mit dem Pferd zu standardisieren und zu perfektionieren.

Kein noch so großes Talent kann den korrekten Sitz intuitiv und ohne fremde Hilfe erlernen!

Und damit sind wir beim Thema. An dieser Stelle werden vermutlich die ersten Reiter – von sich eingenommen – behaupten wollen, dass diese Aussage Unfug wäre. Diesen Personen sei gesagt: Ihr kennt nicht einmal Euren eigenen Körper, wie wollt ihr dann selbstständig den korrekten Sitz erarbeiten?

Nichts ist uns näher und vertrauter, als unser eigener Körper – so glauben wir das zumindest. Doch wir werden in unverschämtester Art und Weise von eben diesem Körper schamlos belogen.

Während wir beispielsweise glauben – von unserem Körper so vorgaukelt – vollkommen aufrecht und in einem perfekten 90 Grad-Winkel auf dem Pferd zu sitzen, lehnen wir uns in Wahrheit, und für einen Beobachter gut sichtbar, mehr oder weniger stark zurück. Das Zurücklehnen ist dabei im Übrigen die häufigste Form fehlerhaften Sitzes [2]. Oder wir beugen uns nach vorne.

Ein weiteres Beispiel:

Wie das Pferd, hat auch der Mensch eine NATÜRLICHE SCHIEFE (Händigkeit), die durch einseitig verkürzte Muskulatur entsteht, welche wiederum – wie auch beim Pferd – seine Ursache in der Lage des Embryos im Mutterleib haben dürfte, und welche nach der Geburt, im Lebensalltag, aus Bequemlichkeit [3] weiter kultiviert und dadurch – wie auch beim Pferd – verstärkt wird.

Ein Rechtshänder hat eine links verkürzte Muskulatur, beim Linkshänder ist es umgekehrt. Würde ein Rechtshänder (im Weiteren spreche ich nur vom Rechtshänder – für den Linkshänder gelten die Ausführungen spiegelverkehrt) auf einer ebenen Fläche ohne Orientierungspunkte am Horizont vermeintlich geradeaus laufen, was ihm sein Körper signalisiert, so weicht er tatsächlich in einem Bogen nach Links ab und kommt so, wenn er nur lange genug im gleichen Rhythmus läuft, wieder am Ausgangspunkt seiner Wanderung an.

Das ändert sich auch nicht, wenn der Rechtshänder auf einem Pferd sitzt. Sein Körper ist dabei immer mehr oder weniger stark, je nach Ausgeprägtheit seiner Händigkeit, nach links gedreht. Damit signalisiert er dem Pferd über seinen Sitz: „Geh nach Links!“. Ist der Rechtshänder mit seinem Pferd auf der rechten Hand unterwegs, dann führt dies dazu, dass das Pferd – dem Sitz des Reiters folgend – sich ebenfalls nach links stellt, über die rechte Schulter läuft bzw. kippt und damit mehr als gewünscht, nach innen abweicht.

Dies hat in der Regel zur Folge, dass der Reiter vermehrt das Pferd korrigieren möchte und sich dabei – reflexartig – noch stärker nach links drehen wird und/oder mit dem linken Zügel versuchen möchte, das Pferd dorthin zu dirigieren. Auch wird er das innere (rechte) Bein verstärkt einsetzen um das weitere Ausbrechen des Pferdes nach rechts zu verhindern. Diese „Korrekturen“ werden häufig auch noch von Reitlehrern unterstützt bzw. gefordert.

Was sie erst wissen, werden sie auch bald durch das Gefühl können, aber das Wissen muss dem Können vorausgehen. Naturreiter sind keine Reitlehrer.

Otto Digeon von Monteton | „Die Beschaffung der Remonten und ihrer Ausbildung“ | 1899 | Nachdruck Olms-Verlag 1992 | Seite 48

Und dies ALLES, weil der Reiter seinem Körper geglaubt hat, das er korrekt sitzen würde. Das Pferd wiederum hat alles richtig gemacht, besser gesagt, dessen Körper wurde durch den Reiterkörper dahin gebracht so zu reagieren, wie es eben reagiert hat, und dafür muss es sich nun korrigieren lassen. Armes Pferd!

Damit sind wir wieder beim meiner Ausgangsaussage:

Kein noch so großes Talent kann den korrekten Sitz intuitiv und ohne fremde Hilfe erlernen!

Wer nun glaubt, dass er nur lange genug reiten müsse, damit er lernt korrekt zu sitzen, der irrt gewaltig. Da kann man 20-30 Jahre oder länger im Sattel sitzen, jeden Tag, und ein noch so renommierter Reiter sein, man wird zwar besser sitzen – aber nicht korrekter. Paul Stecken´s Aussage: „Reiten lernt man nur durch reiten!“ trifft schlicht und ergreifend in letzter Konsequenz NICHT zu. Was man durch das reiten (Verb) lernt, ist lediglich immer besser im Sattel des Pferdes zu bleiben und sich besser der Pferdebewegung anzupassen – das war es auch schon. Richtig sitzen und mit dem Pferd über den Körper korrekt kommunizieren, wird man deshalb noch lange nicht.

Dazu bedarf es IMMER Hilfe! Der korrekte DREIPUNKTSITZ und dessen Körperkommunikation mit dem Pferd kann nicht im Selbststudium erlernt werde!

Die Sitzschulung des Reiters muss die wichtigste Aufgabe eines REITLEHRERS [4] sein.

Aussagen, dass der REITLEHRER nicht so viel reden und es vermehrt dem Reiter überlassen soll, das richtige Gefühl zu entwickeln ist bei der Erarbeitung des korrekten Sitzes absolut nicht zielführend, da wie gesagt, der Reiter nicht einmal merkt, dass er falsch sitzt. Dieses Gefühl wird sich erst im Laufe einer längeren Ausbildungszeit immer mehr einstellen. Davor aber stehen DRILL und DISZIPLIN und die ständige Korrektur, auch des allerkleinsten Fehlers, durch den Lehrer. Denn nur so lassen sich die fehlerhaften Haltungs- und Bewegungsmuster verändern und neue Muster nachhaltig konservieren.

Dabei wird nicht der VERSTAND des Reiters angesprochen, dieser ist, wie bei vielen Dingen, nur störend. Die gegebenen Korrekturanweisungen des Lehrers, welche der Schüler dann auch sofort (DISZIPLIN), auf den Punkt und vor allem ohne nachzudenken – auszuführen hat, sprechen den KÖRPER des Reiters an. Das Reaktionssystem dieses Körpers wird schließlich nach vielen Wiederholungen (DRILL), nicht nur die gegebenen und sofort umgesetzten Korrekturen adaptieren, sondern diese auch mit den vorher geschehenen Reiterfehlern bzw. auch Bewegungsfehlern des Pferdes in Verbindung bringen.

Das Ergebnis: Ein absolut korrekter Sitz in jeder Lage und ein fehlerfreies, rechtzeitiges (blitzschnelles) hoch automatisiertes Kommunizieren mit dem Pferd über den Körper des Reiters ohne Störungen des Pferdes! 

Anzumerken sei noch, dass der Reitlehrer in der Lage sein muss, JEDE fehlerhafte Abweichung des Sitzes und JEDEN Kommunikationsfehler SOFORT zu erkennen und SOFORT zu korrigieren – wieder und wieder! Dies erfordert nicht nur WISSEN, sondern auch eine große ERFAHRUNG!

Diskussionen mit dem Schüler finden in Aktion NICHT statt, sie würden nur den Lerneffekt behindern. In den minutenlangen Pausen, in denen sowohl der Pferde- als auch der Reiterkörper das „gelernte“ durchsimulieren (ich nenne das ADAPTIVES KÖRPERLERNEN) kann eine verstandesmäßige Aufarbeitung stattfinden, indem der Schüler Fragen stellen und der Lehrer ausführlichere Erklärungen geben kann.


Autor: Richard Vizethum | der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


[1] Welche vermutlich auch nur weiterentwickelt haben.

[2] Was auch damit zu tun hat, dass dieses Zurücklehnen heute häufig so gelehrt wird. Diese neuzeitliche „Lehrmeinung“ aber beruht auf einer Fehlinterpretation dessen, was man in der Vergangenheit (vor dem 20. Jahrhundert) unter dem Begriff KREUZANSPANNEN verstanden hat.

[3] Wir bevorzugen bei unseren Alltagstätigkeiten die „bessere Seite“ und verstärken damit die Händigkeit.

[5] Otto Digeon von Monteton | „Die Beschaffung der Remonten und ihre Ausbildung“ | 1899 | Nachdruck Olms-Verlag 1992 | Seite 48

[4] Die Hierarchie der Ausbilder: STALLMEISTER –> REITMEISTER (RITTMEISTER) –> REITLEHRER / BEREITER.


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