Selbstbetrug Sperrriemen

Selbstbetrug Sperrriemen

Blättert man durch diverse Kataloge von Reitsportausstattern, dann kann man eine bedauerlichen Fakt erkennen: Kaum ein Kopfstück für die Bereiche Dressur, Springen, Vielseitigkeit … ist ohne Sperrriemen zu bekommen. Ja selbst im Galopprennsport halten Sperrriemen inzwischen Einzug.

Die Reitsportausstatter demonstrieren damit neben völliger Ignoranz, nur ihr Bestreben eine große Nachfrage zu bedienen. Eine Nachfrage, die sie inzwischen durch ihr breites Angebot – bei dem das Wohlbefinden des Pferdes keine Rolle zu spielen scheint – gezielt steuern.

Auch die Reiter und Ausbilder, die diesen Riemen nutzen und damit dem Pferd das Maul zuschnüren oder diesen bei „Problemen“ gerne empfehlen, lassen dadurch nur erkennen, dass ihnen schlichtweg Wissen fehlt. Wissen über die Physik und über die Psyche des Pferdes.

Wenn das Pferd jedoch versucht das Maul aufzusperren, so hat das irgendeinen Grund, den man finden und abstellen sollte – einfaches Zusperren des Maules ist Selbstbetrug

(Paalman Anthony – Springreiten – 1989)

Genau diese Worte des bekannten Springreiters und Parcours-Bauers Anthony Paalman, sollten allen Nutzern des Sperrriemens zu denken geben.

Pikant dabei ist, dass es auch ein experimentierfreudiger SPRINGREITER war, der den Pull(er)riemen des Worcester-Reithalfters missbrauchte, um dem Pferd das Maul zuzubinden, sehr zur Freude der damaligen Reiterschaft. Vermutlich hoffte er dabei, seine reiterliche Unfähigkeit zu kaschieren, denn im Gegensatz zu Paalman hatte dieser Mensch nichts vom Reiten verstanden.

Warum nun aber kommt jemand auf die Idee, dem Pferd das Maul zuzubinden?

Der Erfinder des Hannoverschen Sperrhalfters (wahrscheinlich der Herr von Oeynhausen) wollte dadurch möglicherweise  verhindern, dass die reiterlich wenig begabten Eleven der Kavallerieschule in Hannover den Pferden im Maul herumfuhrwerkten und diesen so Schaden zufügten. Ein durchaus, für die damalige Zeit, nachvollziehbarer Grund.

Aber warum dieses Zubinden des Pferdemauls durch die Nutzung des Sperrriemens noch steigern?

Na ja, sieht halt nicht schön aus, wenn das Pferd das Maul aufreißt, maulig ist, die Zunge ständig verdreht oder diese dabei sogar über das Gebiss bringt.

Dagegen „hilft“ Zubinden eben!

Die genannten Verhaltensmuster der Pferde sind aber keineswegs von Natur gegeben und dem Pferd anzulasten. Über 95% der Ursachen kann man getrost beim Reiter und dessen harter und unruhiger Hand, aufgrund eines wenig losgelassenen Sitzes und falscher Lehren suchen. Dies allerdings mag man sich nicht allzu gerne eingestehen. Lieber kaschiert man optisch.

So eine FALSCHE LEHRE und neuzeitlicher Unsinn ist die propagierte und bis in extremen Bewegungen von Reitern aller Klassen demonstrierte MITGEHENDE HAND.

Einige Pferde ertragen diese Tortur, indem sie mit der Zunge das Mundstück gegen den Gaumen drücken und so den ständigen Bewegungen des Mundstücks entgegenwirken können.

Viele andere Pferde aber drücken dies durch eine (ungute) Verstärkung der Maultätigkeit (z.B. „Kampfkauen“ …) als ÜBERSPRUNGSREAKTION aus. Manch pferdefreundliches menschliches Wesen sieht darin die Ablehnung der Trense! Mitnichten! ES IST DIE ABLEHNUNG EINER UNRUHIGEN REITERHAND!

Nebenbei bemerkt: Wer von ANLEHNUNG spricht sollte NIEMALS eine mitgehende Hand haben! Denn beides widerspricht sich!

Die Hand des Reiters sollte (bis auf kleine Korrekturen) stets STILLSTEHEN, sie sollte WEICH (runde Hand) und SCHNELL (bei Korrekturen) sein.

Die Reiterhand ist nicht zum (direkten) Lenken des Pferdes da!

Durch den Sperrriemen (für den es KEINE korrekte Verschnallung gibt!) wird auch die Aktivität des ZUNGENBEINS stark behindert. Das ist übel!

Noch übler aber ist es, dass der Sperrriemen verhindert, dass das Pferd sich selbst – von leichteren Blockaden des Zungenbeins – durch Verdrehen der Zunge befreien kann.

Der SPERRRIEMEN IST URSACHE UND LÖSUNGSVERHINDERER gleichzeitig.

Bitte ÜBERDENKT DIE NUTZUNG DES SPERRRIEMENS! Glaubt nicht an Ausbilder oder wohlmeinende „Bandenprofis“, die diesen bei einem „Problem“ empfehlen, denn es gibt IMMER EINE BESSERE UND PFERDEFREUNDLICHERE LÖSUNG! Korrektes, pferdefreundliches Reiten kennt keinen Sperrriemen!

Text wurde bereits vor ein paar Jahren vom Autor veröffentlicht ist aber aktueller den je!


Autor: Richard Vizethum | der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


Der Text auch als Podcast (einfach auf den Abspiel-Button drücken) …


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Leistung oder nicht?

Leistung oder nicht?

Bilder, die eine sichtbar erschöpfte und gebrochene Stute nach einer Dressur-Kür auf einem CHIO in Aachen zeigten, wurden damals in den sozialen Medien heiß diskutiert.

Bilder, die eine sichtbar erschöpfte und gebrochene Stute nach einer Dressur-Kür auf einem CHIO in Aachen zeigten, wurden damals in den sozialen Medien heiß diskutiert.

Warum sah dieses Pferd so kaputt aus, während sich die Reiterin vom Publikum für ihren Sieges-Ritt feiern ließ. Einem Ritt, der vieles offenbarte, der aber weit entfernt von Harmonie und Leichtigkeit war und der auf eklatante Trainingsmängel hinwies.

Und hier sind wir bei dem eigentlichen Punkt dieses Blogbeitrags: Muss ein Pferd nach einem solchen Ritt SO aussehen?

Mancher Kommentar in den sozialen Medien wies darauf hin, dass beide, Reiter und Pferd eine große Leistung vollbracht hätten und dies vor großem Publikum und hohen Außentemperaturen. Dies alles kann man – mit Einschränkungen – durchaus als Begründungen für den Zustand des Pferdes anführen.

Doch die gerittene Kür dauert gerade mal ca. 8 Minuten. Nehmen wir das Abreiten dazu, dann mag das Pferd vielleicht ein bis eineinhalb Stunden unter dem Sattel gewesen sein. Kann man da schon von einer Leistung sprechen oder offenbart es nicht vielleicht eines: eklatante Trainingsmängel?

Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung fiel die schwache Hinterhandmuskulatur der zugegebenermaßen zierlichen Stute auf. Ein derartiger Muskelstatus aber hat nichts mit der Zierlichkeit des Pferdes zu tun, sondern mit einem falschen, primär auf VORWÄRTS ausgerichtetem Training. VORWÄRTS, vor allem noch mit aktivem Vorwärts-Abwärts gewürzt, baut dort, wo die Kraft des Pferdes sitzt, keine nennenswerte Muskulatur auf.

VORWÄRTS verbessert die Ausdauerleistung aber nicht die Kraft und Kraft ist es, welche notwendig ist, um Leistungen zu erbringen, welche bei einer solchen Kür im Viereck gefordert sind.

Ausdauer ist zu 90% durch Willensleistung zu erzielen, nur die restlichen 10% entfallen dabei auf den körperlichen Aspekt (Lunge, Herz …). Bricht man den Willen des Pferdes, beispielsweise durch eine zu harte Reitweise, dann lässt sich die Leistung nur durch Verstärkung des Drucks durch den Reiter aufrechterhalten. Das Pferd wird gezwungen über sein Grenzen zu gehen und zerbricht daran. Es erduldet und zieht sich zurück.

Ich erlebe viele Pferde, die abgeschlossen haben. Mancher Pferdebesitzer denkt dann er hätte ja ein so ruhiges, cooles Pferd. Die nackte Wahrheit aber ist: Das Pferd hat aufgegeben! Beim Menschen würde man von einer Depression sprechen, ausgelöst durch Distress (anhaltender Stress und kaum Möglichkeiten für das Lebewesen sich durch Maßnahmen davon zu befreien).

Schon hier kann man erste Zusammenhänge erkennen, die für den Zustand dieser Stute verantwortlich zeigen:

  • Keine Kraft in der Hinterhand = falsches Training
  • Harte Reitweise

Wenn man sieht, was man heute unter „dressurmässiger“ Arbeit versteht, dann erklärt sich so manches.

In der Regel begrenzt sich diese Arbeit auf die drei Grundgangarten in unterschiedlichem Tempo (Vorwärts – Vorwärts – Vorwärts), Volten- oder Zirkelarbeit (oft in Dehnungshaltung) und dann das „Auswendiglernen“ von Lektionen. Das war es!

In der „Richtlinie für Reiten und Fahren“ der „Deutschen Reiterlichen Vereinigung“ heißt es, dass Pferd sei an oder knapp vor der Senkrechten zu reiten. Dies ist gewissermaßen allgemeingültig formuliert. Nun gut, hier befindet man sich durchaus in einer Linie mit so manchem „Reitmeister“ der Vergangenheit, nur das man deren Erkenntnisse dazu aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert hat.

In seiner Allgemeingültigkeit ist dies aber Unsinn, ignoriert es doch eklatant die auf der Physik basierenden biomechanischen Prozesse im Pferd.

In seiner NATÜRLICHEN HALTUNG sind Nacken-Rückenband und die langen Rückenmuskeln in einer, nennen wir sie mal, NEUTRALEN SPANNUNG, die ausreichend ist, damit das Pferd energiesparend agieren kann. Dabei ist die Nase des Pferdes deutlicher vor der Senkrechten und damit der Genickwinkel offen.

Würde man nun bereits in dieser Haltung das Pferd mit der Nase an oder vor die Senkrechte bringen, dann würde durch Zug auf das Nacken-Rückenband die Kruppe leicht angehoben und die Hinterhand nach hinten ausgestellt werden. Das Pferd kommt weiterhin vermehrt auf die Vorhand. Auch ein „Nachtreiben“ trägt nicht wesentlich zu einer Veränderung dieses Zustandes bei. Allenfalls auf Volten oder Zirkel kann man – zumindest optisch – kaschieren.

Dennoch wird dieses Verfahren gedankenlos, aber eben getreu der Richtlinie, munter praktiziert. So auch von dieser Reiterin.

Dieses Vorgehen ist ein Grund dafür, dass man ein Pferd „strecken“ (man nennt es „dehnen“) lassen muss, um ihm ab und zu mal Freiheit von dieser Zwangshaltung (Nase an die Senkrechte) zu geben.

Ein Grund für den Sperrriemen ist u.a. – das sei hier auch erwähnt – in dem Wunsch begründet, dass Pferd leichter an oder knapp vor die Senkrechte zu bekommen, indem man ihm die Möglichkeit nimmt, sich durch Maulaufreißen dem Nachgeben im Genick zu entziehen. Auch hier kann man attestieren: SCHLECHTE AUSBIDUNG!.

Es ist keine große Leistung, welche unsere Pferde in einem Dressurviereck erbringen – auch diese Stute nicht!

Jedes preußische Kavalleriepferd zur Zeit Friedrichs des Großen würde darüber nur amüsiert lächeln können. Diese Pferde damals waren, im Gegensatz zu den heutigen Pferden, top ausgebildet und erbrachten Leistungen, zu welchen unsere schlecht ausgebildeten Pferde nicht ansatzweise fähig wären – zumindest nicht, ohne massiven Schaden am Körper zu nehmen.

Der desolate Zustand dieses Dressurpferdes lässt sich im Wesentlichen auf eine völlig unzureichende Ausbildung, basierend auf falschen Konzepten, welche gerne, selbstüberhöhen, als „klassisch“ bezeichnet werden, sowie dem steten Kampf mit der Reiterin während der Kür zurückführen.


Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippol