Reiten ist eine Wissenschaft

Die Suche nach dem Gralsweg

Wie Philosophie oder Mathematik ist Reiten ernsthaft betrachtet eine Wissenschaft.

Es waren schon immer sehr, sehr wenige Reiter (Stallmeister) gewesen, die diese Wissenschaft ausübten, die sich auf die Suche nach den Gesetzmäßigkeiten machten und diese akribisch erforschten. Ohne diese Wenigen hätte Reiten nie zur Reitkunst werden können.

Auch wenn es vielleicht anmaßend klingt, so ist es in Demut gesprochen: Ich bin wohl der Letzte dieser Art!

Die Auffindung von Gesetzmäßigkeiten nun ist Sache der Wissenschaft, ihre Anwendung aber Kunst; mehr oder weniger ist daher jede menschliche Tätigkeit höherer Ordnung Wissenschaft und Kunst zugleich.

(Oberstleutnant a.D. v. Dreyhausen | „Reitwissenschaftliche Vorträge“ | 1931)

Reiten ist eine Wissenschaft

Nicht für jeden Reiter muss REITEN EINE WISSENSCHAFT sein. Aber für diejenigen, die sich berufen fühlen REITKUNST in ihrem vollen Umfange zum Wohle des Pferdes verstehen wollen, für diese wenigen ist es eine VERPFLICHTUNG Reiten als WISSENSCHAFT anzusehen!

FÜHLEN hat mit Wissenschaft nichts zu tun, ist aber wie BEOBACHTEN der Ausgangsgrund für die WISSENSCHAFT.

Nur wer aus dem, was er gefühlt oder beobachtet hat eine Hypothese formuliert und versucht, diese Hypothese zu verifizieren indem er das WARUM und das WIE ergründet, immer bestrebt eine ALLGEMEINGÜLTIGE REGEL zu finden, der wird sein Tun und Handeln nicht dem Zufall überlassen.

Der, der beim FÜHLEN stehenbleibt, der nur Empiriker, „der gewöhnlich nur auf gut Glück in die Organisation des Thieres greift, und sie nicht selten anstatt sie zu vervollkommnen, verdirbt“ [1], wie Du Paty de Clam anmerkte, arbeitet nur nach Trail and Error, weil er selten wirklich weiß, WARUM eine bestimmte Aktion zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat. Auch findet er keine ALLGEMEINGÜLTIGEN GESETZMÄSSIGKEITEN, so dass es vorkommt, dass das, was eine Zeitlang erfolgreich angewandt wurde plötzlich in Gänze oder bei einzelnen Individuen nicht mehr funktioniert.

Dann sondert der NUR-FÜHLER schon mal Pferde aus, weil sie nicht mit dem Methodenpaket kompatibel sind.

Auch ein NUR-FÜHLER kann sehr weit kommen, er wird aber den Gipfel der REITKUNST nie erreichen. An dieser Stelle lasse ich dann erneut Du Paty de Clam zu Wort kommen:

„Einen zweckmäßigen Dressurplan zu entwerfen, bedarf es des Studiums der Wissenschaft und einer langen Erfahrung. Jedes einzelne Glied muß in Rücksicht der Wirkung auf das Ganze in diesem Plane berücksichtigt werden, keine Lücken dürfen obwalten, und genau müssen die Forderungen der Kunst nach den Vollkommenheiten der Natur abgewogen sein. Nur eine Rücksicht unbeachtet gelassen und der Dressurplan ist gescheitert.[2]


Autor: Richard Vizethum | der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


[1] Du Paty de Clam | „Theorie und Praktik der höhern Reitkunst “ | Original 1777; dt. Übersetzung von Premier-Leutnant Blatte 1826 |Nachdruck Verlag Olms | Seite 203

[2] Du Paty de Clam | „Theorie und Praktik der höhern Reitkunst “ | Original 1777; dt. Übersetzung von Premier-Leutnant Blatte 1826 |Nachdruck Verlag Olms | Seite 203


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