Aufrichtung – Die genialen preußischen Stallmeister

Aufrichtung – Die genialen preußischen Stallmeister

LEHRE VOM GRALSWEG – Aus dem Kapitel: „Wege und Irrwege der Aufrichtung – Teil 2“

Die genialen preußischen Stallmeister zu Zeiten Friedrich des Großen und seines Kavalleriegenerals von Seydlitz-Kurzbach, deren Wirken noch etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts[1] die Pferdeausbildung in der Kavallerie bestimmten, gingen bei der AUFRICHTUNG – der militärischen Zweckorientierung der Pferde, aber auch dem Zeitgeist (Industrialisierung, Maschinenzeitalter) geschuldet – einen völlig anderen, für die Pferde gesünderen Weg, als dies die akademische Reiterei (Pluvinel, de la Guérinière …) tat.

Dieses stark wissenschaftlich-technisch geprägte Vorgehen der preußischen Stallmeister finden wir beispielsweise gut dokumentiert bei Ernst Friedrich Seidler[2],[3] und Louis Seeger[4] (beide Schüler des wohl prägendsten Oberbereiters der Wiener Hofreitschule: Max Ritter von Weyrother[5], der den Begriff des DENKENDEN REITERS formulierte).

Die preußischen Stallmeister richteten die Pferde zunächst in der Vorhand, über einzelne Entwicklungsphasen, so auf, dass auch die RÜCKENLINIE[6] von vorne nach hinten, zum Lumbosakral-Gelenk hin, mit angehoben wurde.

Ein „Abknicken“ im Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule wurde so verhindert.

Die Anhebung der Vorhand diente dazu, durch Kräftigung der Rumpftragemuskulatur, jene von Natur aus in der Regel VORWÄRTS-ABWÄRTS geneigte RÜCKENLINIE in die Waagerechte zu erheben und dabei zugleich Buggelenk und Hüftgelenk auf eine gleiche Höhe zu verbringen und deren Winkel auch noch anzugleichen, so dass diese beiden Hauptfederungen[7] des Pferdes sich die Kräfte deutlich energiesparender zuwerfen konnten, als dies, mit der von Natur aus Vorwärts-Abwärts geneigten Rückenlinie, bei welcher der Energieverbrauch deutlich höher ausfällt und damit der Leistungsverlust natürlich sehr viel schneller vonstattengeht, möglich wäre.

Erst nachdem dieser Prozess abgeschlossen war, begannen sie, nach temporärem leichtem „Absenken“[8] des Rückens, die Hinterhand intensiver zu bearbeiten. Sie berücksichtigten damit, im Gegensatz zu den Meistern der akademischen und der neuzeitlichen Reiterei (bei diesen allerdings würde ich „Meister“ zwischen ganz dicke Anführungszeichen setzen), die von Natur aus vorhandene Schwäche der Hinterhand.

Was den allerwenigsten Reitern bekannt sein dürfte, kennt das NATÜRLICHE PFERD seine Hinterhand nicht wirklich und lässt diese, durch die, aufgrund des Gewichtsüberhangs, nach vorwärts fallende Vorhand, einfach nur MITZIEHEN[9], statt aus dieser heraus aktiv zu schieben (SCHUB)! Dieses energiesparende Vorgehen bringt allerdings mit sich, dass die Hinterhand von Natur aus, zunächst einmal mit wenig Belastbarkeit[10] (Kraft) ausgestattet ist und auch entsprechend zunächst wenig belastet werden sollte! Der allergrößte Teil der heutigen, bis in die allerhöchsten Klassen „ausgebildeten“ Pferde, verbleibt zeitlebens in diesem, für ein REITPFERD ungesunden Zustand.

Die im Rahmen der UMFORMUNG angestrebte Beugung der Hinterhand fiel bei den Stallmeistern deutlich mäßiger aus als bei den Schulpferden der akademischen Reiterei, um den Pferden das für die Kavallerie so wichtige Vorwärts in den Grundgangarten nicht zu nehmen, welches für die geforderten Dauerleistungen, beispielsweise für lange Märsche, zwingend Notwendigkeit war.

Dennoch aber sollte die Hinterhand der Pferde so kräftig und beugefähig werden, dass die Pferde große 2-Schlag-Galoppsprünge wie beispielsweise die Carriere[11] beim Chok[12] ausführen und im Einzelkampf auf der Hinterhand, am „kleinen Finger geführt“, tanzen konnten und somit auch Elemente der Hohen Schule sehr gut beherrschten.

Diese Beugung der Hinterhand finalisierte schließlich die UMFORMUNG des Pferdes. Der Bewegungsdruck einer durch diese Methode erarbeiteten tragenden und federnden Hinterhand, geht jetzt VORWÄRTS-AUFWÄRTS das Pferd wird leicht und nimmt sich selbst dem Reiter aus der Hand. Fordert man nun ein so umgeformtes Pferd zu einem vermehrtem Einsatz der (leicht gebeugten) Hinterhand auf, dann kann sich das Pferd vorne, rein durch den physikalischen Hebel und ohne zusätzlichen Kraftaufwand, weiter (RELATIV) anheben!

Solche Pferde waren für die Kampagne (die Schlacht, das Manöver …) im höchsten Maße geeignet, beherrschten aber auch Bewegungen der HOHEN SCHULE. Die Vorgehensweise bei der körperlichen UMFORMUNG durch die genialsten Stallmeister in der der Geschichte der Reiterei, berücksichtigte in perfekter Weise die Physik des Pferdes und erzielte Pferde, die schier unglaubliche Höchstleistungen zu erbringen im Stande waren.

So waren sie oft viele Stunden bereits unter dem Sattel, bevor sie in die Schlacht geworfen wurden. So geschehen beispielsweise in der Schlacht bei Zorndorf, im Siebenjährigen Krieg, am 25. August 1758, wo die Pferde bereits über 12 Stunden unter dem Sattel waren, bevor für den Angriff „mäßiger Galopp“ befohlen wurde, „weil die Pferde bereits müde seien„. Aufgrund ihrer hervorragenden Ausbildung aber hatten diese Pferde trotz dieser gewaltigen Anforderungen dennoch sehr gute Chancen, an Leib und Seele gesund bleiben zu können.

Tierschutz ging in der preußischen Kavallerie VOR Menschenschutz.
Dies hatte rein pragmatische Gründe. Die Ausbildungszeit des Menschen war vergleichsweise kurz, er konnte also leichter ersetzt werden. Im Gegensatz dazu erhielt das Pferd eine über 3-4 Jahre dauernde intensive Ausbildung. Für solche Pferde gab es keine 2. Garnitur!

Unabhängig von den preußischen Stallmeistern und zunächst ohne Kenntnisse deren Vorgehens in der Ausbildung der Pferde, entwickelte ich exakt den gleichen Weg und so war es mir möglich, im Gegensatz zu allen anderen, den Preußen folgenden neuzeitlicheren „Meistern“, das Vorgehen, dieser Stallmeister, Pferde gesund auszubilden, zu verstehen und mehr als nur nachvollziehen zu können.

In meiner LEHRE VOM GRALSWEG (Reitlehre) wird diese nachhaltig gesunde Art Pferde so zu FORMEN, dass sie ein langes Pferdeleben lang, gesund, leistungsbereit, motiviert und sicher werden, beschrieben und in meinen Ausbildungseinheiten und Kursen pädagogisch anschaulich intensiv und schlüssig vermittelt.

Mit dieser, meiner intensiven Arbeit versuche ich dieses – durch Bequemlichkeit und Ignoranz – verlorene Wissen der reiterlichen Allgemeinheit in verständlicher Form wieder zugänglich zu machen, verbunden mit der großen Hoffnung, dass es dadurch den Pferden, diesen wundervollen, edlen Geschöpfen, wieder besser gehen wird, als dies in der Neuzeit (und schon länger davor) der Fall ist, aber auch mit der Hoffnung, dass sich weitere Interessierte auf den GRALSWEG machen und ich nicht der LETZTE STALLMEISTER einer wahrhaftigen REITKUNST bleiben werde.


Autor: Richard Vizethum | Der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


Den Text auch als Podcast …


[1] In diesem Jahr ging, laut Otto Digeon von Monteton, der wohl letzte Stallmeister in Ruhestand und in der preußischen Kavallerie wurde die Ausbildung direkt von den Rittmeistern (ohne vorherige Anleitung durch die Stallmeister) durchgeführt, was zu einem Qualitätsverlust in der Ausbildung führte.

[2] 1837 | Ernst Friedrich Seidler | „Leitfaden zur gymnastischen Bearbeitung des Campagne- und Gebrauchspferdes“ | Eigenverlag – Gedruckt in der Dietericischen Buchdruckerei (E.G. Mittler) – Berlin |

[3] 1846 | Ernst Friedrich Seidler | „Die Dressur difficiler Pferde, die Korrektion verdorbener und böser Pferde“ | Druck und Verlag von Ernst Siegfried Mittler – Berlin, Posen und Bromberg

[4] 1844 | Louis Seeger | „System der Reitkunst“ | Verlag von Friedrich August Herbig – Berlin

[5] Max Ritter von Weyrother beeinflusste neben de la Guérinière, Louis Seeger und Benno von Oeynhausen maßgeblich das Vermächtnis der Reitkunst von über 500 Jahren, welches sich die Wiener Hofreitschule verpflichtet hat, weiterzutragen.

[6] RÜCKENLINIE: Es werden hier nur die Wirbelkörper der Wirbelsäule ohne obere Dornfortsätze betrachtet.

[7] Die vordere Hauptfederung ist der Buggelenkswinkel (Schulter – Buggelenk – Querarm). Die hintere Hauptfederung sind die Hanken nach Definition der LEHRE VOM GRALSWEG, sprich der Hüftgelenkswinkel (Kreuzbein – Hüftgelenk – Kniegelenk).

[8] Damit ist kein durchhängender Rücken oder ähnliches gemeint, sondern es musste, damit überhaupt eine Beugung der Hinterhand ohne (Über)Dehnung des Nacken-Rückenbandes bei dieser aufgerichteten Hals- und Rückenlinie ermöglicht werden würde, ein leichtes Absenken des Rückens stattfinden, welcher dann wieder durch die Beugung der Hinterhand kompensiert wurde. Das Nacken-Rückenband blieb dabei in „Neutralspannung“. Eine „Aufwölbung“ des Rückens, wie dies die Rückenwahnsinnigen der Neuzeit fordern, würde zu einer körperlichen Schädigung der Struktur führen!

[9] Aktuell kann man diesen fehlenden SCHUB auch noch bei den Pferden, die in der Dressur bis zur höchsten Klasse „ausgebildet“ sind, erkennen.

[10] Diese reicht für kurzzeitige – auch aggressive – Fluchtbewegungen, ist allerdings nicht für Dauerleistungen geeignet.

[11] Carriere: Gewaltiger 2-Schlag-Galopp, bei dem jeweils die Vorderbeine gleichzeitig absprangen, gefolgt von den gleichzeitigen Hinterbeinen.

[12] Der Chok war eine besondere Art des Angriffs der Kavallerie. Dabei lief eine Reiterlinie mit größter Wucht auf die feindlichen Linien zu. Der Anlauf zum Chok in voller Carriere begann erst etwa 80-60 m  vor den gegnerischen Linien. Keine lebende Masse konnte diesen gewaltigen Aufprall widerstehen. „… die Gewalt der Carriere ist so groß, daß, wen diese volle Gewalt trifft, der wird widerstandslos niedergeritten. Pferde, die einmal gewohnt sind, beim Hochspringen die Hindernisse einzurennen, verlassen sich auf ihre Gewalt, ein Beweis, daß der stärkere Theil, dem der Andere weichen muß, nicht einmal Schmerz empfindet; kurz, die Gewalt der schnellen Bewegung wird Jedem klar werden, der für diesen Gedanken Beispiele sucht.“ (Otto Digeon von Monteton).

Der letzte Stallmeister

Der letzte Stallmeister

Die genialen preußischen Stallmeister

Die preußischen Stallmeister zu Zeiten Friedrichs des Großen[1] und seines genialen Kavallerie-Generals von Seydlitz-Kurzbach ab Mitte des 18. Jahrhunderts, hoben die Pferdeausbildung auf ein bis dahin noch nicht gekanntes Niveau. Diese Stallmeister, welchen zum Teil im Range von Professoren stehend, als Universitätsstallmeister an Universitäten Hippologie lehrten, zeichneten u.a. bei den preußischen Kavallerieregimentern verantwortlich für die Konzepte der Pferdeausbildung und der Ausbildung der Rittmeister[2]. Sie verdienten oft so viel wie ein Regimentskommandeur, was auch ihren hohen Stellenwert innerhalb der preußischen Reiterei deutlich machte.

Es gehörte früher zur Bildung der Großen, von der Reitkunst sehr eingehende Kenntnis zu haben. Alle Universitäten hatten einen Stallmeister, der Professor-Rang hatte, so wie auch alle Ritter-Akademien. Heut lernt ein jeder selbst reiten, aber es ist auch danach.[3]

Geprägt wurden diese Stallmeister bei ihren Ausbildungs-Konzepten von den Entwicklungen des Maschinenzeitalters, welche mit der industriellen Revolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann. In diesem Zeitalter veränderte eine Serie von technischen Erfindungen die Arbeitswelt grundlegend.

Die damit einhergehende, neue, mehr technisch orientierte Geisteshaltung, hatte auch Auswirkungen auf die Ausbildung der Pferde. Diese wurden nun mehr als „Maschine“ betrachtet und man versuchte, die einzelnen körperlichen Elemente der Pferde nach physikalischen und logischen Grundsätzen, wissenschaftlich analytisch, optimal aufeinander abzustimmen, um so das Leistungsvermögen und die Gesundheit, der für die Kavallerie so wertvollen Pferde[4], deutlich und nachhaltig zu steigern.

Das Ergebnisse waren nahezu perfekt geformte Pferde, welche schier unglaubliche Höchstleistungen erbringen konnten, ohne dabei in entsprechendem Maße Schaden an Leib und Seele zu nehmen. Nie vorher und nie mehr danach und an keinem anderen Ort der Welt, hatte die Pferdeausbildung, insbesondere die der Kampagnen-Pferde der Kavallerie ein höheres Niveau, als unter der Ägide dieser akribisch arbeitenden preußischer Stallmeister.

Jedoch wurde ihnen die Betrachtung der Pferde als Maschine in der Folgezeit, besonders durch die Vertreter der sich, mehr und mehr, wie eine Seuche, nun auch in den Kavallerien ausbreitende, schlampige und stärker an der Eitelkeitsbefriedigung der Reiter, als an der Gesunderhaltung der Pferde orientierten, anglomanen „Natur-Reiterei“ zum Vorwurf gemacht. Diese anglomane Reiterei setzte mehr auf (diffuses) FÜHLEN, den Galopp und das Gredo „Das Gelände wird es schon richten!“ als auf eine sinnvolle, gesunde und reproduzierbare Ausbildung der Pferde. Dieser Vorwurf, denen man die Stallmeistern machte, war und ist völlig haltlos und diente lediglich dazu, die pferdeunfreundlicheren und gesundheitsschädlicheren Konzepte der bequemen, anglomanen, und neuzeitlicher, der emotionalisierten (anglomanen) Reiterei in ein positives Licht zu rücken.

Auch für die Stallmeister und gerade für diese, waren die Pferde Lebewesen, mit all ihrer Individualität und so wurden sie auch behandelt! Aber um sie körperlich dauerhaft zu gesunden, Höchstleistungen erbringenden Tieren umzubauen, war und ist es zwingend erforderlich die Physik des lebenden Systems Pferd (schlicht gesprochen, die „Maschine Pferd“) wissenschaftlich zu analysieren, zu bewerten und zu formen! Wer aber ausschließlich auf FÜHLEN setzt (dazu muss man allerdings wissen, was man fühlen sollte), der wird die Ausbildung der Pferde immer dem Zufall überlassen und dessen Ergebnisse werden immer mittelmäßig bleiben und nicht auf alle Pferde gleichermaßen anwendbar sein. 

Mit der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 und der vernichtenden Niederlage der preußischen Armee durch die Franzosen unter Napoleon[5] in deren Folge die Preußen alle ihre gut ausgebildeten Pferde an die Franzosen verloren, begann auch das Zeitalter der preußischen Stallmeister nach und nach ein Ende zu finden. Im Grunde waren sie dem Staatshaushalt (kurzsichtig denkend) zu teuer geworden. Von nun an begann man die Verantwortung für die Ausbildung der Pferde in die Hände der Schwadronchefs und deren Rittmeister zu legen, was einen, zunächst schleichenden, dann immer stärkeren Qualitätsverlust in der Ausbildung zur Folge hatte und die Tür für die Anglomanie in der Kavallerie immer weiter öffnete[6]. Etwa im Jahre 1848[7] schied nach Berechnungen von Otto Digeon von Monteton wohl der letzte Stallmeister Altersbedingt aus dem Dienst.

In den Folgejahren nahm der Pferdeverschleiß durch unzureichende Ausbildung zu. Zweckbedingt wurde der Galopp zur vermehrten Gangart der Kavallerie und übermäßig trainiert, was zu den hohen Pferdeverlusten beitrug. Die Pferde verschlissen an den Beinen, es kam zu Kieferbrüchen und weiteren körperlichen Schäden. Dieser Umstand veranlasste 1875 den Kavalleriegeneral von Schmidt zur Forderung wieder zu den altpreußischen Dressurmethoden zurückzukehren:

… die Pferde vornehmlich im Winter-Halbjahr, und sodann fortgesetzt während der Sommerübungen, nach den Grundsätzen und Regeln der altpreußischen Dressurmethoden[8] in die ihrem Gebäude angemessene, richtige Haltung, Aufrichtung, Beizäumung und Versammlung gesetzt worden sind, dieselben sich nicht schwer auf die Zügel legen und nicht fest in der Hand ihrer Reiter, sondern in allen Theilen weich und nachgiebig sind, und ihre Hinterhand gebogen[9] und untergeschoben worden ist, damit dieselbe im Stande ist, vermöge ihrer Elastizität und Spannkraft das Gewicht und die Stöße elastisch aufzunehmen, und dadurch die Vorderfüße zu schonen und zu erleichtern. [10]

Leider verstarb dieser sehr einflussreiche General im Jahre 1875, so dass es ihm unmöglich wurde dieser Forderung in der Armee Nachdruck zu verleihen. Sehr zum Leidwesen der Pferde, welche immer mehr der „schneidigen“, sportlichen und weniger kavalleristischen, anglomanen Reiterei geopfert wurden. Diese fand in der Wehrmacht (die heute so hochgelobt wird) ihren traurigen militärisch-reiterlichen Höhepunkt und beeinflusste in der Folgezeit die heutige moderne Reiterei über die Skala der Ausbildung, deren Grundlagen (im Wesentlichen HDV 12 von 1912 und 1937) man, in völliger Selbstüberhöhung und völlig zu Unrecht als „unumstößlich“ und „klassisch“ bezeichnet.

Der letzte Stallmeister

Bevor ich von diesen großartigen preußischen Stallmeistern erfuhr, kam ich unabhängig von diesen –  genauso wissenschaftlich akribisch arbeitend – zu den gleichen Erkenntnissen und Vorgehensweisen bei der Ausbildung der Pferde. Ich formte die Pferde so wie diese Stallmeister es taten und dies sogar noch in der gleichen Reihenfolge der Bearbeitung. Dieser parallele und unabhängige Erkenntnisgewinn machte es mir, im Gegensatz zum Gros der „Reitmeister“ in der Folgezeit der Preußen, möglich, zu verstehen, wie die besten Pferdeausbilder in der Geschichte der Reiterei gearbeitet haben und ich konnte schließlich, als ich von ihnen erfuhr und mich noch tiefer auf ihre Arbeit einließ, weiter von ihnen lernen.

In deren Sinne weiterarbeitend darf ich mich wohl zu Recht, aber in aller Demut vor der Größe dieser Kunst und meiner preußischen Vordenker, auf deren Schultern ich stehen darf, als den wohl letzten Stallmeister und einen der wenigen „denkenden Reiter“[11] in der Geschichte der Reiterei bezeichnen. Dieses Privileg ist für mich verbunden mit der Verpflichtung, für die Pferde, jene wundervollen, treuen und tapferen Lebewesen einzutreten und deren Anwalt zu sein – auch gegen jede Befindlichkeit der Menschen!

In meiner LEHRE VOM GRALSWEG (Reitlehre) dokumentiere ich all die über viele Jahre, mit vielen (diffizilen) Pferden der verschiedensten Rassen – vom Zwerg-Pony bis zum Shire-Horse – gewonnene Erfahrung und die daraus wissenschaftlich erarbeiteten, umfangreichen Erkenntnisse. Dies tue ich, verbunden mit der Hoffnung, dass Menschen, die an der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Pferde interessiert sind, sich auf den GRALSWEG machen und in meinem Sinne und dem meiner genialen Vordenker – all jenen großartigen preußischen Stallmeistern – weiterarbeiten.

Vielleicht gibt es sie dann irgendwann wieder in größerer Zahl: die STALLMEISTER!


Autor: Richard Vizethum | Der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie



[1] Friedrich II. oder Friedrich der Große, volkstümlich der „Alte Fritz“ genannt, war ab 1740 König in, ab 1772 König von Preußen. Er entstammte der Dynastie der Hohenzollern.

[2] Die Rittmeister wiederum waren dafür verantwortlich, die Ausbildungskonzepte der Stallmeister über die Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere in die Truppe zu tragen.

[3] Otto Digeon von Monteton | „Über die Reitkunst“ | 1877 | Nachdruck Olms-Verlag 1995 | Kommentar auf Seite 137

[4] Tierschutz ging in der preußischen Kavallerie vor Menschenschutz!

[5] Napoleon Bonaparte (1769 – 1821), als Kaiser Napoleon I, war ein französischer General. Aus korsischer Familie stammend, stieg Bonaparte während der Französischen Revolution in der Armee auf. Von 1804 bis 1814 und nochmal 1815 Kaiser der Franzosen.

[6] Die Kavallerieschule in Hannover war nie ein Hort guter Pferdeausbildung, sondern von Anbeginn (1866 – als Militärreitinstitut Hannover gegründet und 1920 in die Kavallerieschule Hannover umbenannt) der anglomanen, sportlichen schneidigen Reiterei (Jagdreiten, Geländereiten, Springen, Rennreiten …) zugetan.

[7] In diesem Jahr ging, laut Otto Digeon von Monteton, der wohl letzte Stallmeister in Ruhestand und in der preußischen Kavallerie wurde die Ausbildung direkt von den Rittmeistern (ohne vorherige Anleitung durch die Stallmeister) durchgeführt, was zu einem Qualitätsverlust in der Ausbildung führte.

[8] General von Schmidt spricht sich hier für die altpreußischen Dressurmethoden von vor 1806 und im Grunde noch etwa bis 1848 aus.

[9] Der Begriff „Biegen“ bedeutet: das Biegen in den Gelenken, Genick, Rücken und Hinterhand und geringgradig das seitliche Biegen, welches man neuzeitlich diese Begriff zuschreibt und damit den ursprünglichen Begriffsinhalt konterkariert.

[10] Kaehler | „Die preußische Reiterei von 1806 bis 1876 in ihrer inneren Entwicklung“ | 1879 | Verlag Ernst Siegfried Mittler und Sohn | Nachdruck Europäischer Geschichtsverlag 2015 | Seite 330f

[11] Dieser Ausdruck wurde von Max Ritter von Weyrother geprägt. „Denkende Reiter“ nach seiner Definition gab es in der Geschichte der Reiterei nur sehr wenige (welche uns durch ihre Werke bekannt wurden), gleichwohl sich so mancher gerne als solchen sehen möchte.

Die Arbeit mit diffizilen Pferden

Die Arbeit mit diffizilen Pferden

Unter DIFFIZILEN PFERDEN werden Pferde mit körperlichen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten verstanden.

Die Arbeit mit diesen Pferden stellt diejenigen, die diese Arbeit tun, stets vor besondere Herausforderungen. Gleichzeitig ist es aber für einen Reiter der einzige Weg, zu umfassendem Wissen und einen enorm großen Erfahrungsschatz in allen Bereichen rund ums Pferd zu gelangen, um zu dem werden zu können, was in der Vergangenheit die STALLMEISTER waren, jene, mitunter im Professoren-Rang stehende Elite der Hippologen – primär in Preußen zu Zeiten Friedrichs des Großen und danach noch etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts eben dort.

„Reitmeister“, die sich nur mit guten Produkten aus der Zucht beschäftigen und deren oft in der Öffentlichkeit vorgestellten „Problempferde“ für einen wahren STALLMEISTER keine echte Herausforderung darstellen, werden nie wirklich zum Gipfel dieses Wissens und dieser Erfahrungen aufsteigen.

Die Arbeit mit diffizilen Pferden scheidet auch den Charakter der Menschen. Viele die sich daran versuchen, gelangen schnell an einen Punkt, an dem Gewalt ein probates Mittel der Problemlösung wird und nur sehr, sehr wenige erreichen jenes Stadium wahrhaftiger Meisterschaft, selbst schwierigste Probleme in tiefer Liebe und Zuneigung zu diesen wundervollen Tieren, gerecht und mit schier unendlicher Geduld[1], nachhaltig zu lösen.

Die gekonnte Arbeit mit diffizilen Pferden erscheint einem Außenstehenden und häufig an Spektakuläres und Verkünsteltes gewöhnten, eher als langweilig und wenig interessant. Ob bei körperlichen Problemen oder Verhaltensauffälligkeiten, stets ist diese Arbeit von ständigem Wiederholungen immer gleicher Schulen und Übungen, in immer gleicher Art und Weise geprägt. Es ist eine Millimeterarbeit, bei der ein immer höherer Grad der Präzision angestrebt wird und die dazu beiträgt, dass das Pferd sich körperlich und geistig nachhaltig immer sicherer fühlt, gesünder und leistungsbereiter wird.

Die Arbeit mit diffizilen Pferden ist die wahre REITKUNST und nur wer diese in liebevoll, dem Pferd zugewandten Art beherrscht, kommt nicht nur an die Fähigkeiten eines STALLMEISTERS heran, sondern ist der wahre Künstler in der Reiterei. 

Die letzten Jahrzehnte haben mich, durch die anspruchsvolle Arbeit mit vielen diffizilen Pferden, in aller Demut gesprochen, zu einem jener STALLMEISTER vergangener Zeiten werden lassen, die Max Ritter von Weyrother als DENKENDE REITER bezeichnete, von denen es in der Geschichte der Reiterei nur sehr, sehr wenige gab – gleichwohl sich viele gerne mit diesem Titel schmücken mögen. Trotz all meines großen Wissens und meiner umfangreichen Erfahrungen lerne ich noch jeden Tag hinzu, nicht aus Büchern, sondern von jenen Pferden die nicht perfekt sind, aber es verdient haben, eine Chance zu bekommen.

ICH GEBE NIE EIN PFERD AUF!

Autor: Richard Vizethum | der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


[1] Wenn hier von GEDULD gesprochen wird, dann bedeutet dies nicht „alle Zeit der Welt“, denn solche hat ein STALLMEISTER in der Regel nicht. Von ihm wird erwartet, die Probleme in möglichst kurzer Zeit zu lösen. Ein Pferdebesitzer kann Jahre damit verbringen, herumexperimentierend, ein Problem zu lösen. Ein wahrer STALLMEISTER hat dazu oft nur wenige Korrektureinheiten zur Verfügung, bevor ihm die, ach so – nach eigenem Bekunden – geduldigen Reiter/innen wieder das Mandat entziehen.

Impressionen

Hier finden sie nach und nach Impressionen (Bilder und Videos) aus der Ausbildungs- und Umformungsarbeit an Pferden und Reitern mit relevanten Erläuterungen.



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Ein Konter dem Konterschulterherein

Auszug aus dem Arbeitspapier der LEHRE VOM GRALSWEG

X.1. | Grundsätzliches

X.1.1. | Der Begriff KONTERSCHULTERHEREIN ist im Grunde irreführend, da die Form, in der das Pferd geritten wird, dem eines SCHULTER(N)HEREINS[1] entspricht, vor allem dann, wenn es als KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG [X.2.2. ] auf gerader Linie ausgeführt wird. Lediglich das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINIE (Volte, Zirkel) [X.2.3. ] unterscheidet sich von einem normalen Schulter(n)herein dergestalt, dass die Hinterhand einen kleineren Kreis als die Vorhand beschreiten muss und diese dadurch stärker in die Beugung gezwungen werden könnte[2]. Wie beim Schulter(n)herein kreuzen (Hinterhand) bzw. schränken (Vorhand) auch beim Konterschulterherein beide Beinpaare.

X.1.2. | Das KONTERSCHULTERHEREIN in seinen beiden Varianten gehört nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG zu den BEWEGUNGEN IN GEBOGENER FORM DES PFERDES (siehe Bild).

Bei dieser Form ist die Körperlängsachse des Pferdes (Schweifrübe bis Widerrist) gerade[3], die Schultern werden leicht schräg von der Körperlängsachse nach innen[4] gestellt (KP1). Der Hals kommt gerade und zu den Schultern parallel aus diesen heraus. Im Genick-Ganaschenbereich (KP2) wird das Pferd ebenfalls leicht nach innen gestellt, dabei sollte die Nase nicht über eine gedachte Verlängerungslinie der Schultern nach vorne hinausgehen[5].

X.1.3. | Die Regeln der Hilfengebung beim KONTERSCHULTERHEREIN entsprechen vollständig denen des SCHULTER(N)HEREIN.

X.1.4. | Um das KONTERSCHULTERHEREIN grundsätzlich in Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit beurteilen zu können, ist vorab ein wichtige Fragestellung zu klären, die da lautet: Muss ein Pferd den Bewegungsablauf des SCHULTER(N)HEREIN überhaupt erlernen? Häufig wird dieses „Erlernen“ als (Teil)begründung für die Anwendung des Konterschulterherein angeführt. Die Antwort nach der LEHRE VOM GRALSWEG ist ein kategorisches NEIN!

X.1.4.1. | Das SCHULTER(N)HEREIN ist eine technische Bewegung, bei der das Pferd körperlich positioniert (BEWEGUNGEN IN GEBOGENER FORM DES PFERDES) und durch Reduzieren des Vorgriffs des äußeren Vorderbeins (HALBE PARADE) die Vorwärtsbewegung in die nötige Seitwärtsbewegung gebracht werden kann. Dies ist alleine über den korrekten Sitz und die korrekte Hilfengebung nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG möglich und entbindet damit das Pferd vom „Erlernen“ des Schulter(n)herein. Lediglich bei Pferden die am Beginn ihrer Ausbildung stehen oder die verritten wurden und korrigiert werden müssen, mögen die Bewegungen während der ersten Ausführungen noch etwas ungelenkig ausfallen[6], dennoch werden auch diese Pferde zu einem mehr oder weniger gutem Schulter(n)herein geformt und geführt werden können.

X.1.4.2. | Nicht das Beibringen des Schulter(n)herein, was damit als Begründung für das KONTERSCHULTERHEREIN entfallen kann, ist deshalb die Aufgabe des Reiters, sondern die qualitative Verbesserung des Schulter(n)herein, hin zur maximal möglichen gymnastischen Wirkung bei geringster Belästigung des Pferdes!

X.2. | Varianten des Konterschulterherein

X.2.1. | Allgemein

X.2.1.1. | Grundsätzlich kann man von zwei Arten des KONTERSCHULTERHEREIN sprechen. Diese unterscheiden sich in ihrer Ausführung und Wirksamkeit durchaus deutlich. Diese beiden Varianten sind: KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG (Bande) und KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINIE (Volte, Zirkel). 

X.2.2. | Gegen eine Begrenzung

Bei der 1. VARIANTE, dem KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG, welche sich großer Beliebtheit erfreut, wird das Pferd mit der Nase zu einer Begrenzung, i.d.R. eine feste Bande, gestellt und im Schulter(n)herein gegen diese geritten.

X.2.2.1. | Die Intensionen, die zum KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG führen, sind zweierlei. Einerseits soll das Pferd auf diesem Wege das Schulter(n)herein erlernen, was es nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG überhaupt nicht nötig hat [X.1.4.]  und andererseits erwartet man, durch das gegen die Begrenzung arbeiten, ein stärkeres Untersetzen und Beugen der Hinterhand.

X.2.2.2. | Dem Reiter wird das Arbeiten im Schulter(n)herein beim KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG dadurch erleichtert (Vorteil), dass durch die Begrenzung dem Pferd die HAUPTBEWEGUNGSRICHTUNG (Vorwärts) verschlossen bleibt und der Reiter so in der Lage ist, das Pferd leichter in eine Seitwärtsbewegung zu nötigen. Ich schreibe hier ganz bewusst von Nötigung, denn nichts anderes ist es!

X.2.2.3. | Grundsätzlich sei angemerkt, dass es sich beim KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG lediglich um ein ganz normales Schulter(n)herein auf gerader Linie handelt, welches aber durch die Begrenzung vor der Nase des Pferdes zu einer Vielzahl von Nachteilen im Vergleich zur normalen Variante führt, welche manche der, oft zur Begründung dieser Variante des Konterschulterherein angeführten Vorteile, in Gänze aufwiegen.

X.2.2.3.1. | Das Pferd wird beim KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG massiv in Zwang gesetzt – vorne die Begrenzung, hinten die Beine des Reiters. Dies führt dazu, je nach Fähigkeit des Reiters und damit abhängig von der Qualität der Ausführung, dass die Pferde, mehr oder weniger stark über die äußere Schulter und/oder Kruppe in die Seitwärtsbewegung fallen. Dadurch entstehen starke ungleiche Belastungen, verbunden mit der Gefahr struktureller Schädigungen (Gelenke, Sehnen, Bänder, Muskeln …), vor allem dann, wenn das Pferd dabei zu schnellen Bewegungen genötigt wird.

X.2.2.3.2. | Das Arbeiten im KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG versetzt das Pferd in einem sehr hohen Maße unter starken körperlichen Stress, dieser ist verbunden mit einem hohen Energieverbrauch, was wiederum einen schnelleren Leistungsabfall zur Folge hat.

X.2.2.3.3. | Die genannten Stressoren beim KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG bewirken zu den rein körperlichen Auswirkungen, des Weiteren noch ein deutliches Abfallen der Lernkurve, was die Ausbildungszeit verlängert (Ineffizienz).

X.2.2.4. | Da das Pferd grundsätzlich das SCHULTER(N)HEREIN nicht erlernen muss, sondern dieses vom Sitz und der korrekten Hilfengebung des Reiters nach der LEHRE VOM GRALSWEG abhängig ist, gleichzeitig aber die körperlichen Stressfaktoren und die Gefahr struktureller Schädigungen beim Pferd hoch sind, kann das KONTERSCHULTERHEREIN GEGEN EINE BEGRENZUNG (insbesondere in erhöhtem Tempo) in keinster Weise empfohlen werden!

X.2.2.5. | HISTORISCHER ABRISS | De la Guérinière schrieb 1733 über das Arbeiten eines Pferdes gegen eine Begrenzung zum Zwecke diesem das Seitwärtsgehen zu lehren, folgende Worte:

Diejenigen, die den Kopf eines Pferdes an die Mauer stellen, um es zur Seite gehen zu lehren, verfallen in einen Fehler, dessen nachtheilige Folgen sich leicht zeigen lassen. Auf diese Art lernt es eher aus Gewohnheit, als auf die Hülfen der Hand und Schenkel, gehen, und wenn man es von der Mauer wegnimmt, und in der Mitte der Reitbahn zur Seite richten will, wo es keinen Gegenstand mehr hat, der ihm  alsdann zum Gesichtspunkte dient, so gehorcht es nur unvollkommen der Hand und dem Schenkel, welches denn doch die einzigen Wegweiser sind, deren man sich zur Führung eines Pferdes in allen seinen Gängen bedienen darf. Ein anderer Nachtheil, der aus dieser Schule entspringt, ist: daß das Pferd, anstatt den äussern Schenkel über den innern zu setzten, öfters denselben aus Furcht, entweder den auf der Erde stehenden Schenkel mit dem Eisen zu treten, oder aber mit dem Knie [Karbalgelenk – Anm.d.Red.]  in dem Zeitpunkt gegen die Mauer zu stoßen, wenn es den Schenkel hebt, und denselben über den andern zu setzten, vorwärts führt, darunter wegsetzt.[7]

Auch de la Guérinière ging wie alle (bekannten) Meister (siehe auch de la Broue im Folgenden) und Reiter nach ihm, von der Fehlannahme aus, dass man den Pferden das SCHULTER(N)HEREIN (respektive das Seitwärtsgehen) lernen müsse. Die Vorgehensweisen der LEHRE VOM GRALSWEG widerlegen diese Annahme. Lediglich der korrekte Sitz und die korrekte Hilfengebung nach meiner Lehre, reichen aus, das Pferd von Anfang an in einer Schulter(n)herein-Bewegung gehen zu lassen. Nur die Qualität der Ausführung wird mit fortschreitender Übung durch Verbesserung der Körperlichkeit beim Pferd zunehmen.

Klar weist de la Guérinière allerdings auf die Problematiken hin und ergänzt diese in seinem Werk auch noch mit Aussagen von de la Broue[8]:

Herr de la Broue ist dieser Meinung, wenn er den Rath giebt, daß man, um Pferde zum Schenkelweichen zu bringen, nur bei solchen von der Mauer Gebrauch machen müsse, die in der Hand liegen, oder hineinziehen. Weit entfernt aber, den Kopf so nahe an der Mauer zu stellen, sagt er, müsse man das Pferd zwei Schritte diesseits der Mauer halten, welches ohngefähr eine Entfernung von fünf Schuhen[9] [1,625 m – Anm.d.Red.] , von dem Kopf des Pferdes bis zur Mauer ausmacht.[10]

X.2.3. | Auf gebogener Linie

Die 2. VARIANTE, das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGNER LINIE (Volte, Zirkel), bei dem das Pferd den offenen Raum vor sich hat und die Hinterhand einen kleineren Kreis als die Vorhand beschreiten muss, weißt – auch bei korrekter Ausführung[11] – gegenüber dem SCHULTER(N)HEREIN keinen zusätzlichen Nutzen auf, welcher nicht durch Nachteile für das Pferd erkauft werden müsste.

X.2.3.1. | Das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGNER LINIE kann sowohl auf einem Zirkel, als auch auf einer Volte geritten werden. Wichtig dabei ist, dass die Hinterhand in einer guten Vorwärtsbewegung bleibt. Keinesfalls darf sie auf der Stelle „hüpfen“. Ist dies der Fall, dann ist die Volte zu klein angelegt und/oder die Zügeleinwirkungen (z.B. HALBE PARADEN) erfolgten zu hart.

X.2.3.2. | Durch das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINIE kann ein stärkeres Kreuzen (Schränken) der Vorhand und damit ein vermehrtes Entbinden der Schultern gefördert werden. Wichtig dabei ist, wie generell bei BEWEGUNGEN IN GEBOGENER FORM DES PFERDES, das das äußere Vorderbein des Pferdes eine Vorwärts-Seitwärtsbewegung erhält und nicht seitlich kippt. Dies kann im Konterschulterherein auf gebogener Linie nur bei vier gleichen Hufabständen einigermaßen sicherzustellen werden.

X.2.3.3. | Beim KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINE beschreibt die Hinterhand einen kleineren Kreis als die Vorhand. Dadurch treten die Hinterbeine kürzer und das Pferd kippt vermehrt über die äußere Kruppe. Dies widerspricht dem grundsätzlichen Prinzip des Schulter(n)herein, nach dessen Definitionen durch das Einkreuzen des inneren Hinterbeins die äußere Schulter des Pferdes angehoben werden solle. Dieses Kippen über die äußere Kruppe lässt sich auch bei korrekter Form des Pferdes nach dem Prinzip der BEWEGUNGEN IN GEBOGENER FORM DES PFERDES nicht verhindern.

X.2.3.4. | Dies zusammengenommen macht auch das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINE zu einem schwierigen Unterfangen und kann bei fehlerhafter (in der Masse der Fälle wahrscheinlicher) Ausführung, die Gesundheit des Pferdes durchaus stark beeinträchtigen. Der mögliche Nutzen steht dazu in keinem sinnvollen Verhältnis, so dass auch diese Variante des KONTERSCHULTERHEREIN nicht empfohlen werden kann[12]!

X.3. | Zusammenfassung

X.3.1. | KONTERSCHULTERHEREIN kann in zwei unterschiedlichen Varianten ausgeführt werden. Diese sind: KONTERSCHULTERHEREN GEGEN EINE BEGRENZUNG und KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINIE.

X.3.2. | Damit KONTERSCHULTERHEREIN Sinn macht, muss es zumindest dem SCHULTER(N)HEREIN in seinem Nutzen gleichwertig, in einzelnen Elementen (zum Zwecke der Korrektur) einen besonderen Nutzen bringen oder ein Lerneffekt für das Pferd gegeben sein.

X.3.3. | Bei keinen der beiden Varianten des KONTERSCHULTERHEREINS ist auch nur annähernd ein Nutzenvorteil gegenüber dem SCHULTER(N)HEREIN gegeben. Im Gegenteil, die Risikofaktoren für die Gesundheit des Pferdes überwiegen bei Weitem manch genannten, vermeintlichen Nutzens.

X.3.4. | Das Pferd muss ein korrektes SCHULTER(N)HEREIN nicht erlernen. Über den korrekten Sitz und der korrekten Hilfengebung nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG kann jedes Pferd Schulter(n)herein gehen, wobei sich die Qualität der Ausführung durch stetes Üben mehr und mehr verbessert – bis hin zum maximal möglichen gymnastizierungstechnischen Effekt. Ein KONTERSCHULTERHEREIN zum Zwecke des Erlernens desselben ist nicht notwendig.

X.3.4. | RESÜMEÉ | Im Sinne der Ausbildungseffizienz und der geringstmöglichen Belästigung sowie potenzieller Gesundheitsschädigung des Pferdes kann nach meiner LEHRE VOM GRALSWEG keine der beiden Varianten empfohlen werden! Das Erlernen des korrekten Sitzes und konzentriertes, diszipliniertes Arbeiten im SCHULTER(N)HEREIN stellt für Reiter und Pferd die bedeutend sinnvollere und effizientere Vorgehensweise dar!

X.3.5. | SCHLUSSBEMERKUNG | Aus den aufgeführten Gründen wird KONTERSCHULTERHEREIN in der LEHRE VOM GRALSWEG nicht als SCHULE geführt, sondern lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt.


Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippologie | Auszug aus der LEHRE VOM GRALSWEG


[1] Das Schulter(n)herein im klassischen Sinne ist immer ein 4-spuriges Schulterherein entgegen der 3-spurigen Variante der FN/FEI, bei dem die Hinterhand keine Kreuzbewegung ausführt. In der „Richtlinie für Reiten und Fahren“ entspricht das sogenannte SCHENKELWEICHEN in etwa dem klassischen und weitaus sinnvolleren 4-Spur-Schulter(n)herein. Wobei, dies sei auch hier angemerkt, das FN-Schenkelweichen nicht dem klassischen Schenkelweichen entspricht, welcher in meiner LEHRE VOM GRALSWEG vermittelt wird.

[2] Je kleiner der gerittene Kreis, desto stärker könnte die Beugung der Hinterhand ausfallen. Ich betone hier bewusst „könnte“, denn es bedarf beim Pferd bereits ein hohes Maß an der Fähigkeit seine Hinterhand vorzusetzen und zu beugen (die bei den allermeisten Pferden so gut wie nicht gegeben ist). Auch muss die Hilfengebung des Reiters perfekt sein. Ist dies nicht sichergestellt, so ist die Gefahr der gesundheitlichen Schädigung des Pferdes relativ hoch.

[3] Die Körperlängsachse ist im Bereich der Wirbelkörper weitestgehend gerade. Lediglich durch die Rotation nach innen-unten, entsteht der Eindruck eines, auch in diesem Bereich gebogenen Pferdes.

[4] Innen wird immer definiert über die Seite des Pferdes, welche wir hohl stellen.

[5] Geht die Nase über diese Verlängerungslinie hinaus, wird das Gewicht des Kopfes, welches über die Linie hinausgeht, nicht mehr von den Vorderbeinen abgestützt und das Pferd neigt sich in diese Richtung. Um dies zu kompensieren wird es eine Ausgleichsbewegung nach Außen, über die äußere Schulter ausführen – d.h. über die äußere Schulter laufen.

[6] Das noch untrainierte oder schlecht ausgebildete Pferd kennt seine Hinterhand von Natur aus nicht und lernt sie erst durch Bewegungen, wie beispielsweise dem Schulter(n)herein kennen. Aus diesem Grund können zu Beginn der Arbeit am Schulter(n)herein die Bewegungen des Pferdes noch sehr ungelenkig ausfallen, was sich aber bei konsequenter, disziplinierter Arbeit schnell ändert.

[7] Francois Robichon de la Guérinière | „Reitkunst“ | dt. Übersetzung von J. Daniel Knöll 1817 |Verlag Olms | Seite 197

[8] Dieser Verweis auf Salomon de la Broue (1530 – 1610) lässt einen interessanten Rückschluss bezüglich des SCHULTER(N)HEREIN (auf gerader Linie) zu, dessen „Erfindung“ man de la Guérinière auf Basis der Vorarbeit durch William Cavendish, dem 1. Herzog von Newcastle (1592 – 1676) auf Volte, zuschreibt. Explizit wird in der deutschen Übersetzung bei der Arbeit von de la Broue gegen eine Begrenzung von SCHENKELWEICHEN gesprochen, tatsächlich aber dürfte es bereits ein KONTERSCHULTERHEREIN gewesen sein und dieses auf gerader Linie. Dies würde bedeuten, dass der Bewegungsablauf des Konterschulterherein und damit auch des Schulter(n)herein auf gerade Linie bereits lange vor de la Guérinière bekannt gewesen sein dürfte.

[9] Schuh = Fuß = Pariser Fuß = 0,325 m

[10] Francois Robichon de la Guérinière | „Reitkunst“ | dt. Übersetzung von J. Daniel Knöll 1817 |Verlag Olms | Seite 197f

[11] Schultern dürfen nicht fallen!

[12] Lediglich in KORREKTUR-Notwendigkeiten (Öffnen, Entbinden der Schultern des Pferdes) kann man das KONTERSCHULTERHEREIN AUF GEBOGENER LINIE in sehr kurzen Reprisen nutzen. Dabei ist bei der Ausführung ein besonderes Augenmerk auf vier gleiche Hufabstände zu richten.

Das Pferd – ein konzentrationsschwaches Lebewesen

Pferde sind konzentrationsschwache Lebewesen. In der Natur hat das Pferd es nicht nötig, sich großartig auf etwas zu konzentrieren. Sein Futter läuft schließlich nicht weg und ist dazu noch an vielen Plätzen zu finden. Anders sieht die Sache bei einem  Raubtier aus. Da sitzt die Katze schon mal stundenlang vor einem Mauseloch, in der Hoffnung, dass die Maus sich blicken lässt. Die Katze muss während der ganzen Zeit hoch konzentriert sein, um ja nicht diesen einen, entscheidenden Augenblick zu verpassen.

Oft wird gesagt, dass die Konzentrationsspanne eines (jungen) Pferdes etwa 20 Minuten betragen würde. Diese Aussage will ich so nicht mittragen.

Man kann ein Pferd, auch ein junges Pferd, durchaus 1-2 Stunden arbeiten und die Konzentration dabei immer wieder „beleben“. Denn meiner Erfahrung nach ist die Konzentration NICHT abhängig von der Zeitdauer, sondern von dem was man vom Pferd verlangt und wie gut das Pferd dieses bereits kann.

Bei einer wenig anspruchsvollen oder bereits bekannten Übung ist die Konzentrationsspanne länger, bei einer schwierigen oder unbekannten Übung dagegen deutlich kürzer.

Während ich bei einer leichten Übung durchaus 10 Minuten am Stück ohne Pause mit einem Pferd arbeiten kann, würde eine schwere Übung schon nach 10 Sekunden eine Pause erfordern.

Wenn ich nun hier von Pause spreche, dann heißt das STEHPAUSE (nicht das Pferd mit langem Hals bewegen) und das unbedingt MINUTENLANG! Solche längeren Pausen, in dem man das Pferd auch nicht belästigt, haben drei Effekte:

  • 1 | Der Körper des Pferdes simuliert das gerade Vermittelte in einer solchen Pause und in der Regel kann das Pferd danach diese Übung auf derselben Hand, bereits etwas besser. Ich habe dafür den Begriff ADAPTIVES KÖRPERLERNEN geprägt. Es ist dabei unerheblich, ob sich das Pferd von äußeren Reizen ablenken lässt – der Körper lernt!
  • 2 | Das Pferd kann sich, bei geringgradiger Müdigkeit wieder erholen und ist nach einer solchen Pause erneut aufnahme- und leistungsfähig.
  • 3 | Das Pferd lernt immer länger stehenzubleiben, was bei kurzen Pausen nicht der Fall wäre.

Wichtig dabei ist allerdings, dass man nicht meint, dass Pferd bei solchen Pausen bespaßen zu müssen. Statt sich dabei mit dem Pferd zu beschäftigen, welches gerade körperlich dabei ist, das vorher Erlernte auch körperlich zu verstehen, sollte man selbst entspannen.

PFERDE LANGWEILEN SICH NICHT!

Sehr häufig bekomme ich zu hören, dass Pferde Abwechslung in der Arbeit brauchen, um sich nicht zu langweilen. Hier aber wird lediglich menschliches Denken und Verhalten auf das Pferd übertragen. Pferde LANGWEILEN sich nicht, wenn man wieder und wieder dasselbe von ihnen verlangt.

Im Gegenteil, nur die stete Wiederholung ist es, die bei konzentrationsschwachen Lebewesen die Motivation erhält.

Denn mit jeder Wiederholung fühlt das Pferd, nein jedes konzentrationsschwache Lebewesen – auch ein betroffener Mensch – sich körperlich ein Stückchen sicherer und kommt von einem Gefühl des KÖRPERLICH UNWOHLFÜHLENS in ein Gefühl des KÖRPERLICH WOHLFÜHLENS. Dies hat große positive Auswirkungen auf die Ausgeglichenheit, Sicherheit und Leistungsbereitschaft des Pferdes.

Zeigen Pferde ÜBERSPRUNGSREAKTIONEN, dann tun sie dies keinesfalls aufgrund von Langweile, wie viele Reiterinnen und Reiter dies ihren Pferden unterstellen. Solche Reaktionen entstehen immer dann, wenn ein Pferd die Übung (noch) nicht versteht, diese noch nicht kann, Schmerzen hat, oder wenn es müde wird. Hier ist die Reiterin, der Reiter gefordert, zu fühlen, die Gründe zu erkennen und entsprechend zu reagieren (MÜDE = PAUSE immer noch MÜDE = Feierabend, selbst wenn man erst 20 Minuten etwas getan hat!).

Meint man dem Pferd Abwechslung bieten zu müssen, ignoriert man tatsächliches Pferdeverhalten und steigert die Unruhe und Unsicherheit des Pferdes. Gleichzeitig zieht man jeden Lernprozess in die Länge.

Pferde sind konzentrationsschwache Lebewesen. Solchen kann man nachhaltig nur Sicherheit und eine gesunde Leistungsbereitschaft erhalten, wenn man, durch stete Wiederholung, auch über mehrere Tage hinweg dem Pferd neue Bewegungs- und Haltungsmuster vermittelt, welche damit zur 2. Natur des Pferdes werden und seinen Fundus an HANDLUNGSOPTIONEN erhöhen.

Ein ständiges für Abwechslungen sorgen wollen (was auch vielen Trainingskonzepte suggerieren) oder das Spielen mit dem Pferd dient nur dazu gegen unsere Langeweile anzugehen, verursacht dem Pferd mehr Stress, als wir uns eingestehen wollen und ändert nichts an der Konzentrationsschwäche!

REITKUNST ist das ruhige, konzentrierte UMFORMEN des Pferdes. Dabei ist die stete Wiederholung, welches die konzentrationsschwache Natur des Pferdes berücksichtigt, ein wesentliches Element zur Gesunderhaltung dieses wunderbaren Lebewesens.


Autor: Richard Vizethum | der letzte Stallmeister | Schule der Hippologie


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Reiten auf schmalem Hufschlag

Die Schule REITEN AUF SCHMALEM HUFSCHLAG ist eine der anspruchsvollsten und wertvollsten Übungen innerhalb der REITKUNST. Sie verbessert gleichzeitig Reiter und Pferd in der Qualität der Kommunikation.

Viele Reiter, in ihrer Überheblichkeit gefangen, würden dazu neigen, diese so schlicht anmutende SCHULE geringschätzig zu bewerten und sie in falsch verstandenen Stolz voreilig ablehnen.

Ich bin nicht im Zweifel, daß Anglomanen wie geniale Reiter über dies Kapitel mit Achselzucken hinweggehen werden und doch sind grade diese Gattungen von Reiter diejenigen, welche von einem so wirkungsvollen Handwerkskniff einen äußerst vortheilhaften Gebrauch machen könnten, um wenigstens den Pferden, denen jede Schulbildung abgeht, Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen Zügel und Schenkel zu lehren. Auch sind ungebildete Reiter, die sich stets zerstreuen, gezwungen, hierbei unausgesetzt die Aufmerksamkeit auf des Pferd zu richten, da es ohne diese angespannte, für Reiter und Pferd schweißtreibende Aufmerksamkeit nicht ausführbar ist.

Otto Digeon von Monteton | „Über die Reitkunst“ | 1877 | Nachdruck Olms-Verlag 1995 | Seite 206F

Um die Schule REITEN AUF SCHMALEM HUFSCHLAG vorzubereiten nutzt man einen gewöhnlichen Eisenrechen (oder nord- und mitteldeutsch: eine Eisenharke), so wie in der Gartenarbeit gebräuchlich. Der Rechenbalken (der Teil mit den Zinken), ist in der Regel 30-40 cm breit und sollte auch nicht breiter sein.

Mit diesem Rechen zieht man in der Arena (Reitplatz, Reithalle) einen Kreis mit maximal möglicher Größe, i.d.R. wird der Durchmesser wohl zwischen 20 – 25 Meter liegen[1].

Die Aufgabe des Reiters ist es nun – zunächst im Schritt – mehrere Runden versuchen, sein Pferd auf dieser gezogenen Linienführung zu halten. Das Ziel dabei sollte sein, das KEIN Hufabdruck außerhalb dieser gerechneten Spur liegen darf. Was die Erwartungshaltung anbelangt, sollte man demütiger auftreten. Wichtig ist auch, dass man mindestens 15-20 Minuten in eine Richtung arbeitet, bevor man die Hand wechselt und erneut 15-20 Minuten versucht in der Spur zu bleiben.

Was nun lehrt diese SCHULE?

Zu Beginn der Übung wird man mehr oder weniger stark von dieser gezogenen Linienführung abweichen. Die reiterlichen Korrekturhilfen fallen dabei meist relativ „grob“ aus, so dass eine Übersteuerung des Pferdes entsteht und Hufabdrücke neben die Linie kommen. Die folgende Korrektur lässt dann das Pendel in die andere Richtung ausschlagen und so oszillieren Pferd und Reiter zunächst links und rechts der Linie.

Mit der Zeit aber, was eine gewisse Losgelassenheit (keine Erwartungshaltung) vom Reiter erforderlich macht, wird der Reiter sich immer besser in die Bewegungen des Pferdes einfühlen und Abweichungen wahrnehmen können. Die Korrekturen werden daraufhin frühzeitiger und FEINER erfolgen. Wo vorher sein Körper das Pferd „angeschrien“ hat, wird nun ein FLÜSTERN daraus.

Dieses wiederum hat Auswirkungen auf das Pferd. Da der Reiter nun leise mit seinem Körper „spricht“, muss das Pferd seinerseits mit seinem Körper aufmerksamer „zuhören“, was dazu führt, dass es immer feiner auf fein gegebene Hilfen reagieren wird.

Die SCHULE REITEN AUF SCHMALEM HUFSCHLAG ist also eine der exzellentesten Übungen überhaupt, um die KÖRPER-KOMMUNIKATION zwischen Pferd und Reiter deutlich zu verbessern und sie gehört damit zu den elementaren SCHULEN meiner LEHRE VOM GRALSWEG.

Nachdem man im Schritt weitgehend erreicht hat, dass die Hufabdrücke auf der gerechneten Spur verbleiben, kann man diese SCHULE im Trab und schließlich im Galopp probieren.

Preußische Kavallerieoffiziere (vor 1850) schafften, nach etwa einem Jahr des Übens, in diese SCHULE im Galopp, einhändig auf Trense geritten, 15 Minuten lang die Linie zu reiten ohne dass auch nur ein Hufabdruck daneben ging!

Bild: Franz Krüger: Parade am Berliner Opernplatz 1822, Gemälteausschnitt.


[1] In Abweichung zu der Beschreibung von Otto Digeon von Monteton, in der der Kreis vorgeritten und anschließend erst mit dem Rechen nachgezogen wird (was ein noch schwereres Erarbeiten dieser SCHULE darstellt, wird hier der Kreis vorher gezogen.


Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippologie

Kann man so machen

Kann man so machen

Manchmal mag vielleicht die Frage aufkommen: „Muss ich mein Pferd eigentlich unbedingt UMFORMEN?

Nö, musst Du nicht!

Dazu aber eine kleine Geschichte:

Stell Dir jetzt einfach mal vor, Du hast ein kleines Auto, dessen Bremsen funktionieren nicht so toll, dessen Lenkung ist ausgeschlagen und das Kupplungspedal fällt manchmal durch.

Nun ja, damit kannst du sicher eine Weile gut über die Runden kommen und viele Kilometer unfallfrei fahren.

Doch …

… dann kommt eines Tages jene Situation, in der Du bergab versuchst einen LKW zu überholen. Solche Aktionen sind Dir und Deinem Auto nur bergab möglich, es fehlt halt an den nötigen Pferdestärken (kleines Wortspiel). Da die Strecke durch eine leichte Rechtskurve etwas unübersichtlich ist, hast Du das entgegenkommende Fahrzeug übersehen. Ein kurzes Bremsen und Du hättest noch hinter dem LKW einscheren können.

Ja, hättest Du, wenn die Bremsen nicht gerade in diesem Augenblick ihre Aktivitäten drastisch reduziert hätten. Den Rest des Szenarios erspare ich Dir jetzt.

Es sei aber noch erwähnt, dass Dir die bunte Bemalung Deines kleinen Autos, um die Du Dich so liebevoll bemüht hast, und die Dir viel Geld gekostet hat, in diesem Moment sicherlich keine große Hilfe gewesen sein dürften.

So, und nun stell mir nochmal die Frage „Ob Du Dein Pferd unbedingt UMGEFORMEN solltest?“. Angemerkt sei noch, dass wir hier zunächst nicht einmal von Tuning sprechen, um beim Autobeispiel zu bleiben, sondern es geht um das Herstellen einer sicheren und nachhaltigen Fahrtüchtigkeit!


Autor: Richard Vizethum | Schule der Hippologie